Vom zahnlosen Tiger zu funktionierenden Strukturen: So gelingt Projektarbeit wirklich

Projektarbeit führt viel zu oft zu Reibungsverlusten, demotivierten Mitarbeitern und dem Verschleudern wertvoller Ressourcen. Geht das nicht besser? Change-Coach Dieter Rösner erklärt, wo die Probleme liegen und welche Auswege es gibt.

Das Thema Projektmanagement beschäftigte und beschäftigt ganze Generationen von Managern, Projektleitern, Mitarbeitern und externen Beratern und Experten, ohne dass man sagen könnte, es wären bisher ideale Lösungen gefunden worden.

Warum Projektarbeit viel zu oft scheitert

Die starke Orientierung an akribisch definierten Zielen, langfristig-detailverliebten Planungsphasen, horrendem Aufwand an Dokumentation, dicken Projektmanagementhandbüchern mit einem Überangebot an Methoden und Tools, ineffizienten Meetings usw. im klassischen Projektmanagement, führen in vielen Projekten nicht zu der gewünschten Effektivität und Produktivität.

Zu komplizierte Software bleibt häufig links liegen, überfordert die Beteiligten und wird nicht als wirklich hilfreich erlebt. Auch die aktuelleren Versuche, mehr den Fokus auf die Projektrollen, die Kommunikation und Kooperation, sprich die Menschen im Projekt zu legen, greift häufig zu kurz. Die Verantwortung wird nach unten delegiert, was prinzipiell auch sinnvoll erscheint, ohne jedoch zu sehen, dass die Unternehmens- und Führungskultur als Kontext, vor allem für schnittstellenübergreifende Projekte, die entscheidende Größe für Erfolg oder Misserfolg von Projektprozessen darstellt.

So schlägt schwache oder zu dominante Führung im Unternehmen so gut wie immer auf die Führung von Projekten negativ durch. Abteilungsegoismen bremsen an Schnittstellen usw. Wird dies nicht hinterfragt und ggf. projektorientiert modifiziert, bleiben Projekte häufig “zahnlose Tiger” und können ihre Potenziale nicht oder nur unter großen Hindernissen und Mühen realisieren. Es greift also viel zu kurz, Projektmanagement nur als besondere Arbeitsform zu sehen und es nicht als wesentliches strategisches Element, das in die Zielsetzung, Strategieprozesse und die Kultur des Unternehmens aufzuwerten und einzubinden ist.

Aktuelle Entwicklungen im Projektmanagement

Die Komplexität dieses Arbeitsverfahrens stellt eine große Herausforderung, gerade für mittelständische Unternehmen, dar. Dabei könnten gerade hier, z.B. durch relativ flache Hierarchien, kurze Kommunikationswege, motivierte und engagierte Mitarbeiter gute bis optimale Voraussetzungen gegeben sein, ein effektives, gut eingepasstes Projektmanagementverfahren zu installieren und effektiv zu praktizieren. Welche aktuellen und innovativen Impulse gibt es, und wie können diese konkret aussehen?

Agile Elemente als Lösung für die Zukunft?

In den letzten zehn Jahren macht eine Projektmanagementmethodik Furore, die als agiles Projektmanagement bezeichnet wird. Entstanden in den 90iger Jahren im Bereich der Softwareentwicklung greifen immer mehr Unternehmen auch in anderen Bereichen z.B. der Entwicklung von Hardware auf agile Elemente für ihre Projektarbeit zurück. Das agile Modell ist in der Lage, das klassische Projektmanagement entweder radikal abzulösen oder zumindest wertvolle Impulse für eine zeitgemäße Modifikation der Projektarbeit, im Sinne eines hybriden Vorgehens, zu sorgen. Agilität in diesem Zusammenhang heißt grundsätzlich, sich einfach, flexibel und gut strukturiert aufzustellen. Agile Elemente im Bereich Projektmanagement sind grobe, nicht zu detaillierte Ziele, kurzfristig ausgerichtete Planungseinheiten die in iterativen Arbeitsintervallen (Sprints) umgesetzt werden. Dazu neue, effektive „Meetingformate”, vor allem aber eine starke Orientierung an selbstorganisierter Teamarbeit. Dabei werden Planungs- und Aufgabenverteilung an das Projektteam übertragen und in die kollektive Verantwortung für das Ergebnis gegeben.

Dies bedeutet auch eine teilweise Neudefinition der Rollen Projektleiter, Auftraggeber und ggf. auch des Kunden. Unumgänglich ist es, das gesamt Umfeld in dem Projekte ablaufen, mit zu berücksichtigen und z.B. spezifische Leitlinien zur agilen Projektarbeit zu entwickeln. So können durchaus agile Elemente in klassische Projektstrukturen übertragen und gezielt auf die konkreten Bedürfnisse eines Unternehmens abgestimmt werden.

Wie ein mittelständisches Unternehmen agile Ideen mit klassischem Projektmanagement verknüpfen und so zu schnellem und erfolgreichem Handeln kommen kann, soll dieses Praxisbeispiel aufzeigen:

Praktische Erfahrungen im Change-Prozess aus Beraterperspektive

Erste und wichtigste Voraussetzung war der Wunsch und klar formulierte Absicht der Unternehmensleitung, projektorientiertes Arbeiten gezielt zu fördern, neu zu strukturieren und damit im Unternehmen als ein wesentliches Erfolgsprinzip sichtbar zu machen. Die Geschäftsführung wollte die Ressourcen (Geld, Zeit, Menschen) des Unternehmens besser als bisher nutzen und durch erfolgreiche Projekte vor allem schneller auf die Dynamik des Marktes reagieren.

Eine kurze Analyse und ehrliche Bewertung des bisher gelebten „Projektmanagements“ im Sinne einer Standortbestimmung zeigten deutliche Schwächen auf war die Ausgangsbasis für die Entscheidung der Geschäftsführung, einen Change-Prozess in Richtung agile Projektarbeit zu starten. Wesentliche Elemente, die das neue Projektmanagement kennzeichneten, wurden in einem agilen Prozessverlauf realisiert:

Durch die Entwicklung von werteorientierten „Projekt-Leitlinien“, die den Stellenwert des Projektmanagements in der Unternehmenskultur auf die gleiche Stufe mit dem Tagesgeschäft stellen, wurde ein für alle Mitarbeiter wahrnehmbares Zeichen für Change gesetzt. Hier wird die neue dynamische Projektstrategie am besten für alle im Unternehmen visionär sichtbar. Der klare Top-Down-Auftrag des Unternehmers war gesetzt und ist notwendig.

Behutsam neue Strukturen einführen

Die Einbindung und Selbstverpflichtung aller Führungskräfte in Workshops stärkte das Change-Projekt „Einführung eines unternehmensspezifischen dynamisch-agilen Projektmanagements“. Dies war eine Botschaft, dass es für Führung auch um Loslassen von Kompetenzen und die Abgabe von Ressourcen ging. Geliebte und gelebte Machtstrukturen werden im Sinne des Unternehmens in Frage gestellt und behutsam verändert. Im Unternehmen entstehen neue Strukturen, insbesondere agile Meetingstrukturen. Ganz im Sinne ergebnisorientierter Agilität werden Aufgaben in kurzfristigen Intervallen (Sprints) vereinbart und erledigt. Retrospektiven sichern einen ständigen Lern- und Verbesserungsprozess der dynamischen Projektarbeit.

Getragen werden die neuen Strukturen durch klar und neu interpretierte und definierte Rollen der Projektarbeit, legitimiert durch den Unternehmer. Als Beispiele seien Auftraggeber, agiler Projektleiter, Projektmitarbeiter, Gesamtprojektcoach und das Steuerungsgremium genannt. Klassische Rollenbegriffe werden neu definiert und gelebt. Insbesondere verändert sich auch die Art der Zusammenarbeit im jeweiligen Projektteam – die Teams organisieren sich mit Hilfe des agilen Projektleiters selbst. Selbstorganisation und damit Selbstverantwortung tragen zur Motivation und persönlichen Entwicklung der Teammitglieder bei. Der Umgang mit den neuen Rollenmustern und Strukturen setzt einen intensiven Lernprozess in Gang.

Durch Auswahl, Ausbildung und Wertschätzung der agilen Projektleiter und Mitarbeiter im Unternehmen wird die erforderliche Kompetenz geschaffen, Projekte dynamisch und erfolgsorientiert zu steuern und methodisch zu begleiten. Vor allem junge Mitarbeiter erfahren eine Aufwertung und sehen neue Möglichkeiten sich im Unternehmen einzubringen.

Kommunikation als wichtiger Erfolgsfaktor

Nach der Ausbildung erhalten alle Projektleiter Startprojekte für die agile Projektarbeit. Der Veränderungsprozess wird für alle im Unternehmen sichtbar und erfahrbar gemacht. Erstens durch Einbindung und zweitens durch gezielte Information. Die neuen, selbstorganisierten Team erhalten in der  Anfangsphase intensive Begleitung durch Beratung und Coaching, ebenso wie die Geschäftsführung als Auftraggeber. Wesentliches Erfolgselement des Change-Prozesses ist eine hohe und gut strukturierte Dichte der Kommunikation im Form von Austausch und Feedback zwischen den verschiedenen Funktionsträgern der Projekte im agilen Prozess, sei es in Meetings, Coachings oder Einzelgesprächen.

Wie bei allen Veränderungsprozessen sind Widerstände und Reibungen natürlicher Bestandteil der Einführung. Die Begleitung der Einführungsphase zum einen durch externe Organisationsentwicklung und durch einen internen Gesamtprojektleiter/Coach reflektiert die Dynamik der Veränderung permanent und passt das Modell bei Bedarf an neue Erfahrungen und Anforderungen an.

Fazit

Nach nun mehr als eineinhalb Jahren kann gesagt werden, dass der Prozess der agilen Projektpraxis in Eigenregie weiter erfolgreich umgesetzt wird. Die Mitarbeiter in den neu installierten Rollen erfüllen ihre Aufgaben wirkungsvoll und das Engagement der Beteiligten an den Projekten ist auf deutlich höherem Niveau als vorher. Projekte werden nun schneller und pünktlicher abgearbeitet und die Ergebnisse zeigen die gewünschte Qualität. Da der Gesamtprozess als dynamisches Vorgehen aufgefasst wird gab, und gibt es immer wieder Modifikationen im Sinne kontinuierlicher Verbesserungen. Vorsichtig kann auch diagnostiziert werden, dass sich Elemente von Agilität über das Projektthema hinaus in der Unternehmenskultur z.B. Führungsverständnis) bemerkbar machen.