Um ihre Mitarbeiter und Teams zum Erfolg zu führen, sollten Verkaufs- und Vertriebsleiter ähnlich wie erfolgreiche Fußballtrainer und -coaches agieren. Es geht nicht nur darum, „ihren Männern“ Umsatz- und Ertragsziele vorzugeben. Sie müssen sich auch mit deren Handeln im Vertriebsalltag befassen.
Wie stelle ich sicher, dass meine Mitarbeiter die nötigen Umsätze erzielen? Wie sorge ich dafür, dass mein Team die Vertriebsziele erreicht? Vor solchen Fragen stehen Verkaufs- und Vertriebsleiter im Arbeitsalltag immer wieder. Entsprechend viele Konzepte zum Steuern des Vertriebs und Steigern des Verkaufserfolgs gibt es. Die meisten eignen sich nicht für den Vertriebs- und Verkaufsalltag, denn in der Regel versuchen sie, den Verkaufserfolg weitgehend über Kennzahlen zu steuern. Zahlen dokumentieren aber nur die Erfolge der Vergangenheit. Aus ihnen geht zwar hervor, ob ein Ziel erreicht wurde, sie zeigen aber nicht, was getan werden sollte, um es zu erreichen. Dadurch verschiebt sich der Fokus von der Erfolgssteuerung zur Erfolgskontrolle.
Aufs Spielfeld schauen
Um ein Verbesserungspotenzial zu erkennen, müssen sich Verkaufs- und Vertriebsleiter viel mehr mit den Prozessen befassen, die zu den Zahlen, also Ergebnissen, führen. Ähnlich wie dies so erfolgreiche Fußball-Trainer wie Pep Guardiola und Jürgen Klopp tun. Sie steuern den Erfolg des Teams nicht, indem sie ihnen zu Saisonbeginn mitteilen: Jungs, ihr müsst im Verlauf dieser Saison mindestens 70 Punkte erzielen und in jedem Spiel mindestens drei Tore schießen. Sie sitzen vielmehr bei jedem Spiel auf der Trainerbank. Und dort schauen sie nicht auf die Anzeigetafel, wo der aktuelle Spielstand steht. Sie blicken vielmehr auf das Spielfeld, um zu erkennen, ob ihre Spieler zum Beispiel genügend Einsatz zeigen,ein gutes Stellungsspiel praktizieren oder ausreichend über die Flügel spielen. Nur dann können sie ihnen, wenn sie in Rückstand geraten, Tipps geben, wie sie das Spiel noch gewinnen können und so den kurzfristigen Erfolg beeinflussen.
Entsprechendes gilt für den mittel- und langfristigen Erfolg. Um ihn zu beeinflussen, muss ein Trainer das Verhalten beim Spiel analysieren. Nur so erfährt er, wer wie viele Zweikämpfe gewinnt und wie viele Flanken ankommen. Diese statistischen Daten (also Kennzahlen) allein nützen dem Trainer aber wenig. Sie zeigen ihm nur, in welchen Bereichen etwas getan werden sollte. Aus ihnen erschließt sich aber nicht, was es zu tun gilt.
Wie zum Beispiel der Spieler Thomas Müller die Zahl der gewonnenen Zweikämpfe weiter steigern kann, erfährt er erst, wenn er sein Wissen, dass zu wenig Zweikämpfe gewonnen wurden, mit seinen Beobachtungen beim Spiel vergleicht. Dann wird klar, ob der Spieler so viele Zweikämpfe verlor, weil er zum Beispiel zu langsam ist oder ein schlechtes Stellungsspiel praktiziert oder ihm der nötige Einsatzwille fehlt.
Heute den Erfolg von morgen planen
Ebenso ist es im Verkaufsbereich. Ein Verkaufsleiter, der nur die Zahlen „studiert“, kann den Erfolg seiner Mitarbeiter nicht beeinflussen. Nur indem er sich mit ihrer Arbeitsweise befasst, kann er ihre Leistung steigern. Hierfür ein Beispiel: Der Verkaufsleiter eines Softwareherstellers vereinbart mit einem Außendienstmitarbeiter Anfang Juli, dass dieser im September fünf Software-Lizenzen verkaufen soll. Wenn beide keine weiteren Vereinbarungen treffen, kann der Verkaufsleiter nur hoffen, dass der Mitarbeiter dieses Ziel erreicht. Außerdem erfährt der Verkaufsleiter erst Ende September, ob der Mitarbeiter das Ziel verfehlt. Folglich kann er nicht mehr unterstützend und gegebenenfalls korrigierend eingreifen. Anders ist dies, wenn der Verkaufsleiter schon im Juli seinen Mitarbeiter fragt:
„An wen wollen Sie im September fünf Lizenzen verkaufen?“
„Welche potenziellen Kunden haben Sie im Auge?“
„Wie wollen Sie Ihnen den Mehrwert unserer Produkte aufzeigen?“
„Wie gehen Sie strategisch und taktisch vor, um Ihr Ziel zu erreichen?“
Damit veranlasst er den Mitarbeiter dazu, darüber nachzudenken, mit welchem Vorgehen er das vorgegebene Ziel erreichen kann und welche Maßnahmen hierfür nötig sind. Zum Beispiel potenzielle Kunden identifizieren, mit ihnen Kontakt aufnehmen und bei ihnen den Kaufentscheidungs-Prozess in Gang setzen.
Den Weg zum Erfolg ermitteln
Dies garantiert aber nicht, dass der Mitarbeiter tatsächlich die richtigen Maßnahmen ergreift, beziehungsweise diese mit der nötigen Professionalität durchführt. Also sollten sich der Verkaufsleiter und der betreffende Mitarbeiter regelmäßig zusammensetzen und analysieren, was es konkret zu tun gilt, damit der gewünschte Erfolg eintritt.
Ein probates Mittel hierzu ist es, mit den Verkäufern deren Verkaufserfolge der Vergangenheit zu analysieren: Was hat der Mitarbeiter getan, damit der Erfolg eintrat? Das Ergebnis kann zum Beispiel sein:
Ich ermittelte zunächst 30 Unternehmen, von denen ich annahm, dass sie einen Bedarf für unsere Software haben könnten.
Von diesen Unternehmen signalisierten mir sechs, als ich sie anrief, einen Bedarf.
Mit drei von ihnen konnte ich einen Präsentationstermin vereinbaren.
Nach zwei Präsentationen sollte ich ein konkretes Angebot abgeben.
Jedes zweite Angebot führte zu einem Abschluss.
Liegen diese Informationen vor, wird für den Verkäufer nicht nur klar: Erfolg ist machbar. Er kann jetzt auch durch eine simple Multiplikation ermitteln, wie viele Telefonate er im Juli führen muss, damit er im September wie geplant fünf Lizenzen verkauft.
Meilensteine auf dem Weg zum Erfolg vereinbaren
Erst dann kann der Verkaufsleiter mit dem Verkäufer Meilensteine zum Erfolg vereinbaren. Zum Beispiel:
Ende Juli müssen (5 x 30 also) 150 Adressen von Unternehmen ermittelt sein, die sich für die Software interessieren könnten.
Bis zum 10. August sollten all diese Unternehmen kontaktiert sein, damit wir voraussichtlich zu (fünf x drei, also) 15 Präsentationen eingeladen werden. Und:
Bis zum 30. August sollten zehn Angebote unser Haus verlassen haben.
So zeigt der Verkaufsleiter seinem Mitarbeiter nicht nur den Weg zum Erfolg auf, er kann auch zwischenzeitlich kontrollieren, ob der gewünschte Erfolg voraussichtlich eintritt. Stellt er zum Beispiel Ende Juli fest: Statt der 150 angepeilten Adressen potenzieller Kunden wurden nur 100 ermittelt wurden, dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass im September weniger als fünf Lizenzen verkauft werden. Doch jetzt bleibt noch ausreichend Zeit, um mit seinem Mitarbeiter zu ermitteln, durch welche ergänzenden Maßnahmen das Ziel doch noch erreicht wird.
Die nötige Unterstützung gewähren
Wenn der Verkaufsleiter oder sein Mitarbeiter Anfang August feststellen: “Wenn es so weitergeht, erreichen wir den Meilenstein 15 Präsentationen bis zum 10. August nicht, weil nicht jedes zehnte, sondern nur jedes fünfzehnte Unternehmen mit uns einen Präsentationstermin vereinbart.”, hat der Verkaufsleiter noch genug Zeit, um mit seinem Mitarbeiter zum Beispiel zu analysieren:
Kontaktieren wir die falschen Unternehmen?
Wird unsere „Software“ im Telefonkontakt falsch präsentiert?
Bleibt der Verkäufer nicht ausreichend am „Ball“?
Der Verkaufsleiter kann seinem Mitarbeiter bedarfsabhängig auch konkrete Tipps geben, wie er zum Beispiel vor der Kontaktaufnahme die Unternehmen ermittelt, die mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Bedarf für die Software haben, so dass der Verkäufer sich nicht verzettelt. Oder wie er die Software am Telefon und im Kundenkontakt animierender präsentiert, so dass mehr Unternehmen ja zu einer Präsentation sagen.
Die Vertriebskompetenz mit System entwickeln
Ein Verkaufs- oder Vertriebsleiter, der so als Coach seiner Mitarbeiter agiert, stellt nicht nur das Erreichen der Verkaufs- und Vertriebsziele sicher. Er sorgt auch dafür, dass die verkäuferische Kompetenz seiner Mitarbeiter kontinuierlich steigt – unter anderem, indem er nach dem „Spiel“, also zum Beispiel einer Vertriebsaktion, mit seinen Mitarbeitern analysiert, warum diese erfolgreich oder weniger erfolgreich war. Er agiert somit ähnlich wie solche Erfolgstrainer und -coachs wie Pep Guardiola und Jürgen Klopp. Auch sie analysieren nach Bundesliga-, Premier Leaque- oder Champions League-Spielen mit ihren deren Video-Aufzeichnungen, um hieraus für die Zukunft zu lernen.
Autor: Uwe Reusche