Glücklicher im Beruf: Die Macht der Gedanken nutzen

Die Positive Psychologie ist ein Forschungsfeld der Psychologie, das die Zufriedenheit und das Glücksempfinden in den Mittelpunkt stellt. Wer die zugrunde liegenden Wirkmechanismen versteht, kann sie bewusst einsetzen, um in seinem Beruf glücklicher zu werden. Wie das geht, verrät Diplom-Psychologin Daniela Blickhan.

XING Coaches: Wie kann ich mehr Lebensqualität in mein Berufsleben bekommen?

Daniela Blickhan: Ein Klassiker in der Positiven Psychologie ist der positive Tagesrückblick. Nehmen Sie sich am Abend fünf Minuten Zeit, um zu reflektieren, was an diesem Tag schön war und wie Sie selbst dazu beigetragen haben. Wir haben gelernt, uns zu hinterfragen, Fehler zu erkennen und Probleme zu lösen. Weniger geübt haben wir, zu sehen, was gut ist. Wer seinen eigenen Beitrag reflektiert, unterstützt seine Selbstwirksamkeit. Das ist die Überzeugung, in bestimmten Situationen etwas bewirken und erreichen zu können und damit ein wesentlicher Baustein für Leistungsfähigkeit, Selbstwertgefühl und psychische Widerstandsfähigkeit.

XING Coaches: Und wenn ich das Gefühl habe, es war nicht gut – außer vielleicht das Wetter?

Daniela Blickhan: Dann haben Sie zwar das sonnige Wetter nicht persönlich herbeigezaubert, doch Sie haben trotzdem aktiv etwas beigetragen – weil Sie die Sonne in der Mittagspause fünf Minuten lang bewusst genossen haben. Aus zahlreichen Studien weiß man, dass diese Art des Reflektierens eine nachhaltige positive Wirkung auf die Lebensqualität hat – und sie geht ganz einfach. Man braucht nur ein paar Minuten Zeit.

XING Coaches: Gibt es auch Strategien, wie Chefs die Positive Psychologie unternehmensweit verankern können?

Daniela Blickhan: Ja, die gibt es und sie bringen überzeugende und nachhaltige Erfolge. Vor allem, wenn sie auf einer tragfähigen ethischen Basis eingesetzt werden. Weil das Unternehmen das Wohlbefinden seiner Mitarbeiter fördern will – und nicht etwa weil es wie bei einer Zitronenpresse dadurch noch mehr Leistung herauspressen will.

XING Coaches: Wie können Führungskräfte Positive Psychologie beispielsweise in Meetings einbauen?

Daniela Blickhan: Beginnen Sie Besprechungen künftig mit den Fragen: Was ist seit dem letzten Meeting gut gelaufen? Welche Highlights und Erfolge gibt es? Und dann geht die Führungskraft am besten selbst mit gutem Beispiel voran und eröffnet die Runde. Dieses positive Reflektieren nimmt nur wenig Zeit in Anspruch, vor allem wenn jeder Teilnehmer vorab zwei oder drei Punkte vorbereitet hat und sie dann kurz vorstellt. Und diese Zeit ist bestens investiert, denn nach einem solchen positiven Start ins Meeting hat sich die Stimmung direkt sicht- und spürbar verändert.

XING Coaches: Was passiert da genau in den Köpfen?

Daniela Blickhan: Wenn wir positive Emotionen erleben, wird unsere Wahrnehmung offener und weiter – wir stecken nicht mehr in einem Tunnelblick fest. Dadurch werden wir kreativer und schneller bei der Problemlösung – und das hilft ganz konkret im weiteren Verlauf des Meetings. Positive Emotionen können die Konsequenzen negativer Emotionen und belastende Wirkungen von Stress abpuffern und ihnen entgegenwirken. Dieser sogenannte undoing effect konnte wissenschaftlich nachgewiesen werden (Fredrickson, Mancuso & Branigan 2000). Barbara Fredrickson, führende Forscherin auf dem Gebiet positiver Emotionen, vergleicht den schnellen Zugang zu positiven Emotionen deshalb mit einem Reset-Knopf, der die körperliche Reaktion nach Stresssituationen wieder auf Null stellen kann.

XING Coaches: Wie kann ich als Arbeitnehmer die Erkenntnisse aus der Positiven Psychologie nutzen, um gerne zur Arbeit zu gehen?

Daniela Blickhan: Fragen Sie sich: Was motiviert mich und warum bin ich eigentlich dort? Es lohnt sich, diesen letzten Punkt näher zu betrachten, denn Forschungen zur Arbeitszufriedenheit haben gezeigt, dass hier das wesentliche Potenzial liegt.

XING Coaches: Das heißt genau?

Daniela Blickhan: Um den Arbeitsplatz als positiven Ort zu erleben, ist es hilfreich, sich klarzumachen, was die eigene Arbeit überhaupt für einen bedeutet, welche Werte damit verbunden sind und warum man dort jeden Tag hingeht. Was ist mir wichtig? Wozu trägt es bei? Welchen Beitrag leiste ich durch meine Arbeit? Ein solcher Beitrag kann durchaus pragmatisch sein, zum Beispiel, dass ich dazu beitrage, dass meine Kollegen und ich ein gutes Team sind.

XING Coaches: Ist glücklich sein denn nur eine Ansichtssache? 

Daniela Blickhan: Zumindest ist „Glücklich sein“ kein Ergebnisziel, sondern ein Prozessziel. Es gibt das bekannte Zitat (das meist dem Dalai Lama zugeschrieben wird): „There is no way to happiness. Happiness is the way.“

Positive Psychologie ist keine Heilslehre, sondern ein Forschungsgebiet der wissenschaftlichen Psychologie. Und als solches hat sie klare Ergebnisse hervorgebracht, aus denen sich Empfehlungen ableiten lassen, wie Menschen zu mehr Lebens- und Arbeitszufriedenheit, Wohlbefinden und Resilienz beitragen können, so dass sie aufblühen statt ausbrennen. Die Positive Psychologie hat dafür viele alltagstaugliche und recht einfache Übungen und Strategien hervorgebracht, die jeder anwenden kann. Man braucht dazu keinen Therapeuten, denn die Übungen sind kurz und einfach. Sie spiegeln die Verhaltensweisen glücklicher Menschen, das heißt, in diesen Übungen denkt, fühlt oder verhält man sich für kurze Zeit wie ein Mensch, dem es gut geht. Und weil sich das gut anfühlt, machen wir das gerne öfter und so kann es uns schließlich in Fleisch und Blut übergehen. Dann brauchen wir eine Übung wie den positiven Tagesrückblick nicht mehr. Wir haben gelernt, das Positive in unserem Alltag wahrzunehmen und zu genießen.

XING Coaches: Klingt eigentlich ganz einfach, gibt es auch Fallstricke?

Daniela Blickhan: Wenn sich Menschen zu sehr auf das „Glücklichsein“ fixieren. Dann achten Sie nur darauf, ob es ihnen schon besser geht und ob die Übung bereits wirkt. Es kann sein, dass sie sich so unwissentlich selbst ein Hindernis in den Weg legen. Die Übungen wirken am besten, wenn man sie um ihrer selbst willen macht, weil es einfach Freude macht, und sie nicht instrumentalisiert und als bloßes Mittel zum Zweck einsetzt.

Autorin: Daniela Blickhan

 

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