Immer wieder fragen Verkäufer nach „Patent-Rezepten“ für ihren Verkaufserfolg und Trainer bieten ihre vermeintlich einzig optimale Verkaufstechnik an. Leider wird hier vollkommen außer Acht gelassen, dass beim Verkaufen – auch im Zeitalter der Digitalisierung – die Bedürfnisse des Kunden und Vertrauen eine tragende Rolle spielen. Vertriebscoach Lorenz Bourmer erklärt, worauf es bei der typgerechten Kommunikation ankommt.
Unternehmen und Verkäufer investieren viel Zeit und Geld in das Produktwissen und die Marketingabteilung stattet die Vertriebler mit vertriebsunterstützenden Materialien aus. Oft stellen sich Verkäufer die Frage, warum der eine Kunde direkt begeistert ist und kauft und der nächste Kunde einfach nicht anbeißen möchte, obwohl ihm doch die gleichen Argumente und der gleiche Preis unterbreitet wurden. Genau hier unterscheiden sich Verkäufer von Topverkäufern. Topverkäufer haben einen ganz persönlichen Stil entwickelt und wenden Methoden und Techniken an, die genau zu ihnen und ihren Kunden passen. Eine unabdingbare Voraussetzung, um ein Topverkäufer zu sein, ist somit eine gute Selbst- und Menschenkenntnis. Als lizenzierter Trainer mehrerer Typologien und Coach hunderter typologiegeschulter Vertriebler stelle ich fest, dass es nicht entscheidend ist, welche Typologie angewendet wird. Entscheidend sind vielmehr vor allem zwei Faktoren:
1. Die innere Einstellung, dass wir nicht nur wissen, dass Menschen verschieden sind, sondern dies auch wohlwollend anerkennen und in unser Gespräch integrieren.
2. Dass wir unser erlerntes Wissen üben und anwenden.
Was passiert, wenn nichts passiert?
Gut ausgebildete und motivierte Verkäufer fahren zu ihren Kunden und wundern sich, warum sie mit einigen Kunden so hervorragend „zurecht kommen“ und sie bei anderen einfach keinen Abschluss erreichen. Hier führt der Spruch: „Der Kunde wollte einfach nicht“ auch nicht zum Ziel.
Was können Sie tun?
Virginia Satir, eine bekannte amerikanische Psychologin und Familientherapeutin hat vier Kategorien der Kommunikation beschrieben, welche Menschen annehmen, wenn sie unter Spannung bzw. Druck stehen. Jede dieser vier Kategorien ist durch eine besondere Körperhaltung, eine spezielle Gestik, begleitende Gefühle und einer speziellen Wortwahl gekennzeichnet:
1. Beschwichtigen, die versöhnliche Haltung = Mr. Harmonie, spricht leise und entschuldigend.
2. Anklagen, die anklagende Haltung = Mr. Dynamo, spricht laut und macht anderen Vorwürfe.
3. Ablenken, die irrelevante Haltung = Mr. Charming, spricht ausweichend und vermeidet alles Konkrete.
4. Rationalisieren, die rationalisierende Haltung = Dr. Cool, spricht oft monoton und sehr sachbezogen.
Erkennen Sie sich in einer der vier Kategorien wieder? Die Selbsterkenntnis ist der erste Schritt zu einem erfolgreichen Gespräch. Überlegen Sie oder fragen Sie einen vertrauten Menschen, wie sie unter Stress oder wenn Sie richtig sauer sind, reagieren.
Anschließend geht es daran, die vorhandene Menschenkenntnis auszubauen und somit sensibler für das Verhalten anderer Menschen zu werden. Denn dann ist es möglich, vermeintliches Verhalten vorherzusehen und Konflikte zu vermeiden.
Wenn wir uns nun anschauen, welche Schlüsselqualifikationen jeder einzelne „Typ“ hat und diese miteinander vergleichen, dann wird deutlich, dass es für Verkäufer wichtig ist, die Kunden individuell und „typgerecht“ anzusprechen. Im Folgenden ein grober Überblick:
Mr. Harmonie, in stressfreien Situationen der Kooperative, glänzt mit seiner hohen Sozialkompetenz. Er hat einen sehr hohen Gerechtigkeitssinn und eine harmonische Beziehung zum Verkäufer ist für ihn unabdingbar. Persönliche Erfahrungen und Bewährtheit (vergangenheitsorientiert) sind ihm wichtig, dagegen ist ihm alles Neue oft unheimlich. Wichtige Worte, die Sie im Verkaufsprozess verwenden sollten: wir, Erfahrungen, bewährt.
Mr. Dynamo, in stressfreien Situationen der Entscheider, glänzt mit seiner Überzeugungskraft und Urteilsfähigkeit. Er ist sehr auf sein Ziel (zukunftsorientiert) fokussiert und sein persönlicher Erfolg und Gewinn stehen im Vordergrund. Hier sollte sich der Verkäufer auf ein Kräftemessen einstellen. Wichtige Worte, die Sie im Verkaufsprozess verwenden sollten: Sie, Angebot (Rabatt), gewinnen, schnell.
Mr. Charming, in stressfreien Situationen der Innovative, glänzt durch seine kreative Kompetenz. Er benötigt vom Verkäufer viel Anerkennung und Bestätigung und der persönliche Kontakt ist ihm sehr wichtig. Er ist schnell begeistert (gegenwartsorientiert) und alles Neue ist für ihn erstmal interessant. Wichtige Worte, die Sie im Verkaufsprozess verwenden sollten: Sie, Image, neu, das Besondere.
Dr. Cool, in stressfreien Situationen der Experte, glänzt durch seine Fachkompetenz und sein Wissen. Er erwartet vom Verkäufer Zahlen, Daten und Fakten, liebt Studien und Zertifizierungen (vergangenheitsorientiert). „Gefühlsdudelei“ und Smalltalk sind nichts für ihn. Für eine Kaufentscheidung braucht er Zeit und Geduld, Entscheidungen fallen langsam, sind dann aber schwer zu revidieren. Wichtige Worte, die Sie im Verkaufsprozess verwenden sollten: es (Studien, Daten …), Sicherheit, Qualität, Kosten-Nutzen.
Was haben Sie davon?
Angenommen Sie sind Mr. Dynamo, sollten Sie Ihren Kunden ruhig mehr Zeit lassen, denn diese sind in der Regel nicht so schnell wie Sie. Als Mr. Cool dürfen Sie durchaus etwas von sich preisgeben, denn Sie sind Ihr wichtigstes Verkaufsargument, es sei denn Ihr Kunde ist auch Mr. Cool. Und als Mr. Charming sollte Ihnen bewusst sein, dass nicht jeder „Neuheiten“ toll findet. Falls Ihr Produkt wirklich „neu“ sein sollte, hat es sich bestimmt in langjährigen Tests bewährt. Und als Mr. Harmonie dürfen Sie sich auf Ihr gutes Wahrnehmungsvermögen verlassen und im richtigen Moment mutig sein und den Abschluss machen.
Erkennen Sie sich? Erkennen Sie Ihre Mitmenschen? Hören Sie Ihnen gut zu und beobachten Sie diese, vor allem in Stresssituationen und unter Druck.