Gehen oder bleiben – Wann macht ein Jobwechsel Sinn?

„Should I stay or should I go now?“ – nicht nur die Band The Clash stellte sich diese Frage. Sie begleitet viele Arbeitnehmer täglich. Vor allem werktags. Wann lohnt es sich zu bleiben und wann ist die Zeit reif für einen Jobwechsel?

Machen wir weiter mit den Songtiteln: „Wir sind gekommen, um zu bleiben – wir gehen nicht mehr weg“. Die Zeiten, in denen wir den einmal gewählten Beruf, bei ein und demselben Unternehmen, bis ins Rentenalter ausüben, sind schon lange vorbei. Vielleicht gab es sie auch nie und die „alten Zeiten“ werden nur mal wieder romantisiert. Doch obwohl es dieses Motto in Bezug auf den Job nicht (mehr) gibt und wenn, dann nur in ausgewählten Bereichen oder Branchen, verharren einige todunglücklich Tag für Tag in ihrem Job. Wie kommt das? Und selbst wer nicht todunglücklich ist, sondern seinen Job eigentlich mag, ist mit einem Jobwechsel vielleicht gut beraten. Warum? Weil das Wort „eigentlich“ schon darauf hindeutet, dass auch dort irgendetwas nicht stimmt.

 

Realitätscheck: bleiben oder leiden?

Nicht die Realität beunruhigt uns, sondern die Vorstellung der Dinge – Das ist eine fast immer zutreffende Erkenntnis aus meinem Coaching-Alltag. Ich würde am liebsten riesen Plakate mit diesem Satz bedrucken. Bisher müssen noch Postkarten herhalten. Im Coaching begegnen mir immer wieder Menschen, die in ihren Vorstellungen verhaftet sind. Sie kreieren Worst-Case-Szenarien und richten sich in diesem Leben voller Angst und Kompromissen ein. Menschen schließen sich äußerst gern in Jammerzirkeln zusammen, klagen über nervige Jobs, intrigante Kollegen und egozentrische Chefs und erinnern sich zusammen daran, wie toll alles (NIE!) war. Aber genau durch diese vorgestellten Szenarien, verharren sie in einer Realität, in der sie gar nicht glücklich sind. Sie haben verlernt, die Entscheidungen für ihr Leben selbst zu treffen. Sie bleiben und leiden. Gründe, nichts zu verändern, finden sich viele. Leider ist das jedoch ein schleichender Prozess, der unausweichlich zum Energieverlust führt und im schlimmsten Fall krankmacht.

 

Was hilft? Ein klarer Realitätscheck:

– Was ist Ihr „eigentlich“, das sich im Job nicht gut anfühlt? Was macht Ihnen an Ihrem Job Spaß?

– Welche Faktoren oder Aufgaben verleiden Ihnen den Job?

– Welchen Einfluss haben Sie darauf?

– Und das Wichtigste: Was nehmen Sie wahr?

Dieser Realitätscheck funktioniert nicht rein auf der rationalen Ebene, sondern vor allem auf der Wahrnehmungsebene. Wir sind sehr gut darin, unsere Gefühle und Signale unseres Körpers wegzudrücken. Was passiert, wenn wir sie einmal ernst nehmen, in uns rein fühlen? Schärfen Sie die eigenen Sinne. Was sehen Sie? Was riechen Sie? Was hören Sie? Wie fühlt sich was an? Schärfen Sie alle Ihre Sinne. Man spürt, wenn etwas nicht in Ordnung ist, lange bevor sich die Gedanken zu einer möglichen Veränderung formen.

 

Raus aus der Opferhaltung: Jeder Tag ist ein Wendepunkt

Sicher gibt es manchmal gute Gründe, sich über seinen Chef, seine Kollegen oder Kunden aufzuregen, doch Fakt ist: Wir leben in einem demokratischen Rechtsstaat. Bei uns wird niemand gezwungen, seinen Job zu machen. Wir haben immer die Möglichkeit Nein zu sagen. Natürlich gibt es auch Argumente, den Job nicht direkt hinzuschmeißen, und zwar meist viele Gute. Doch allem voran bremst uns unsere ureigene Angst vor Veränderungen, weil wir in unserer unglücklichen Realität wenigstens Wissen, wo wir dran sind. Viel unangenehmer sind Ungewissheit oder die Horrorszenarien, wie viel schlimmer es uns noch treffen könnte.

Vielleicht ist aber auch noch gar nicht alles verloren und auf der Arbeit lässt sich alles noch in die richtigen Bahnen lenken. In solchen Fällen hilft es, Änderungsbereitschaft zu signalisieren. Nach innen und außen. Das ist nicht einfach. Am besten Sie suchen sich zunächst Unterstützung: eine Freundin, einen Kollegen oder einen Coach – auf jeden Fall brauchen Sie eine Vertrauensperson, mit der Sie über die Situation, wie Sie fühlen und was Sie möchten austauschen können. Wer sich selbst versteht, kommuniziert besser. In einem nächsten Schritt müssen Sie deutlich machen, was Sie möchten. Sie können nicht davon ausgehen, dass Vorgesetzte und Kollegen schon wissen, was Sie brauchen. Sie müssen Ihre Bedürfnisse klar formulieren.

 

Nur durch Krisen und Veränderungen entsteht Wachstum

Viele scheuen solche Gespräche oder Konfrontationen mit dem Hinweis auf den eigenen Energiehaushalt:

– „Das kostet mich zu viel Energie. Dem gehe ich lieber aus dem Weg.“

– „Gerade habe ich eh schon so viel Arbeit. Da brauche ich meine Energie für andere Dinge.“

– „Die Energie auf das Projekt zu lenken, ist jetzt erst einmal wichtiger.“

Wir wissen schon aus dem Physikunterricht: Reibung kostet Energie, aber dieser kurzzeitige Energieaufwand steht oft in keinem Verhältnis dazu, wieviel Energie man langfristig fürs eigene Leben gewinnt. Nimmt man Krisen an, akzeptiert, dass sie zum Leben dazugehören, statt sich gegen sie zu stemmen, wird der Umgang mit ihnen leichter. Außerdem brauchen wir die Auseinandersetzung mit einem Gegenüber, um neue Sichtweisen zu erlangen und uns weiterzuentwickeln. Reibung bedeutet eben auch Wachstum.

 

Sich selbst ändern oder gehen

Und genau darum geht es: die EIGENEN Sichtweise und das EIGENE Verhalten ändern. Nicht, den Chef oder die Kollegen dazu bekommen, jetzt doch gefälligst mal Rücksicht zu nehmen oder dies und jenes zu tun. Sie müssen schon selbst Ihre Sichtweisen und Ihr Verhalten so ändern, dass Sie mit der Arbeitssituation gut zurechtkommen oder genug Energie haben oder Ihre Erfahrungen gut einsetzen können – je nach dem, wie die konkrete Lage ist. Ist das nicht möglich und der innere Wertekonflikt beispielsweise zu groß, bleibt nur eins: gehen. Am besten ohne Angst vorm Unbekannten, sondern mit der Vorfreude darauf, wozu Sie diesen Wendepunkt im Leben nun nutzen können. Das ist definitiv nicht einfach, aber glauben Sie mir, es lohnt sich. Ich habe es selbst erlebt.