Die übermäßige Nutzung des Smartphones ist allgegenwärtig und macht Studien zufolge krank. Grund genug, das Handy mal beiseite zu legen und das Leben „offline“ zu genießen. Wie das gelingt, weiß Business-Coach Ian Schroeder.
Digitales Fasten gibt Selbstbestimmung und fördert Produktivität. Die tägliche Nutzung von digitalen Inhalten liegt im Schnitt bei sechs Stunden, jeden Tag! 24 Stunden hat ein Tag. Davon schlafen wir Deutschen im Durchschnitt sieben Stunden (Schlafatlas 2017), sind ca. acht Stunden bei der Arbeit (An- und Abreise noch nicht eingerechnet), verbringen ca. drei Stunden mit Essen und Hygiene. Das sind schon 19 Stunden. Was ist dann noch mit Sport? Freizeit? Freunden? Kultur? Putzen? Verwandtschaft? Nichts tun? Sechs Stunden digitale Mediennutzung erfolgt verteilt über den Tag. Die Mobile Anwendung steigt rasant und damit auch die Nutzung während der Arbeit, im Meeting, im Gespräch, beim Essen, beim Sport, im Kino, beim Putzen etc. Warum kann die Antwort nicht warten? Weshalb sollte ich auf Facebook und Co. weiter auf der Lauer liegen? Die folgenden vier Schritte helfen dabei, mal eine Pause vom dauerhaften Online-Sein einzulegen.
1. Schritt: Kleine Auszeit nehmen
“Ich beobachte mich und meine Umgebung bei einer Tasse Kaffee oder Tee OHNE Smartphone.“ Eine Auszeit gibt mir auch die Hoheit über meine Selbstbestimmung. Ich entscheide, wie ich meine Zeit nutze und nicht meine „Verpflichtung“, die Vielzahl an offenen laufenden „Gesprächen“ in Schwung zu halten. Eine Auszeit zeigt mir auch, wie vielfältig meine Umgebung außerhalb der 14×7 cm Displaygröße ist. Die Welt außerhalb der 14×7 cm riecht, schmeckt, fühlt sich auch anders an. Ja, die Welt außerhalb der 14×7 cm ist auch zum anfassen und die Tasse Tee oder Kaffee gibt es (noch) nicht virtuell. Eine Auszeit wird Unruhe erzeugen: Was geschieht jetzt gerade in der virtuellen Welt? Wer erwartet jetzt alles eine Antwort?
Wie also beugen Sie dieser inneren Unruhe und der ständigen Neugier vor? Ein Tipp aus der Hirnforschung hilft: Die Whole Brain Haltung. Diese Haltung verbindet beide Gehirnhälften und reduziert mit folgender Anwendung Stress. Dazu können Sie sitzen bleiben, Ihr Smartphone liegt vor Ihnen in Ihrem Sichtfeld. Überkreuzen Sie die Beine (gerne ausgestreckt) und Ihre Arme ebenfalls (nicht verschränken, sondern wie die Beine überkreuzen). Machen Sie es sich im Sitzen bequem und blicken Sie für ca. 30 Sekunden auf Ihr Stressobjekt, also das Smartphone. In dieser Zeit werden im Gehirn die vier Bereiche miteinander verbunden und Ihr Stress bezüglich des Smartphones deutlich reduziert.
2. Schritt: Achtsamkeit und Atmung
Suchen Sie sich einen ruhigen Ort auf, an dem Sie ungestört sind (Smartphone aus). Nehmen Sie eine Haltung ein, in der Sie längere Zeit (ca. zehn Minuten) bequem sitzen können, und konzentrieren sich auf jeden einzelnen Atemzug, auf das Ein- und das Ausatmen. Richten Sie Ihre Wahrnehmung auf Ihren Bauch, wie er sich hebt und wieder senkt. Versuchen Sie so ganz bewusst und entspannt für ca. zehn Minuten zu atmen. Beim Lesen dieser kurzen Anleitung ist Ihnen wahrscheinlich noch gar nicht bewusst, dass die Atmung ein idealer Startpunkt für mehr Achtsamkeit ist, denn sie vollzieht sich normalerweise ganz automatisch und nebenbei, ohne dass wir ihr viel Beachtung schenken müssen. Doch Sie werden merken, dass allein das Konzentrieren auf etwas so Unscheinbares wie die Atmung eine Herausforderung sein kann. Unsere Gedanken schweifen immer wieder ab und das ist auch okay, denn diese Gedanken und Aufgaben können zehn Minuten warten. Nach zehn Minuten Achtsamkeit werden Sie sich garantiert besser fühlen. Denn Sie haben sich Aufmerksamkeit geschenkt und sind aus dem Hamsterrad ausgebrochen.
3. Schritt: Gewinner schlafen über dem Durchschnitt
Laut dem Schlafatlas 2017 schlafen die Deutschen im Schnitt sieben Stunden. Berufliche Leistungsträger im Schnitt nur sechs Stunden und 35 Minuten. Laut dem aktuellen DAK-Gesundheitsreport sind Schlafstörungen bei Berufstätigen im Alter von 35 bis 65 Jahren von 2010 bis heute um 66% gestiegen. 80% der Berufstätigen haben den Angaben zufolge Schlafprobleme, hochgerechnet sind das etwa 34 Millionen Menschen.
Diese Zahlen können auch schon schlaflose Nächte bereiten. Da lohnt sich Blick auf bekannte Leistungssportler und deren Schlafgewohnheiten. Wie lange wird ein Roger Federer im Schnitt täglich schlafen? 11 bis 12 Stunden. Oder Usain Bolt? 8 bis 10 Stunden. Oder Venus Williams? 8 bis 9 Stunden! Gewinner schlafen über dem Schnitt und bringen damit Höchstleistungen. Wenn Ihnen das nicht am Stück möglich ist, empfehle ich Ihnen einen „Powernap“ (einen Kurzschlaf). Die NASA hat sich schon vor über 20 Jahren mit dieser Thematik auseinandergesetzt und führte mit Piloten ein interessantes Experiment durch. Die Piloten durften während eines Fluges ein 25-minütiges Powernapping machen. Das Ergebnis war beeindruckend: Der Wachheitsgrad war um 35 Prozent besser und das Konzentrationsvermögen verdoppelte sich sogar im Vergleich zu den wachgebliebenen Kollegen (Journal of Sleep Research). Warum ist mir dieser 3. Schritt im Zuge des digitalen Fasten wichtig? Im Schlaf werden Sie zu 100% digital Fasten und im Anschluss werden Sie, wie die Piloten, wacher und konzentrierter sein. Eine Win-Win-Situation.
4. Schritt: Vielseitigkeit der Menschen genießen
“Private Gespräche sind in Meetings erwünscht!“ Warum nicht Networking auf die Agenda an den Anfang stellen? Das ist kein Aufruf zur Gruppentherapie oder zur Plauderstunde ohne Ergebnis. Aber ich empfehle, die Meetingkultur zu hinterfragen, zu verändern und persönlichen Themen Raum zu geben. Meeting Empfehlung: Handys OFF und „Networking“ ON. Das trainiert die übermäßige Nutzung vom Smartphone schon während der Arbeitszeit ab.