Neuankömmlinge sollten sich in ihren ersten 90 Tagen im neuen Job an die Unternehmenskultur anpassen. Aber warum und vor allem: wie?
Nervosität und vielleicht auch ein wenig Selbstzweifel sind vor dem Einstieg in ein neues Arbeitsverhältnis völlig normal. Werden die Kollegen mich mögen? Kann ich die mich erwartenden Aufgaben meistern? Wie muss ich mich verhalten, um nicht negativ aufzufallen? Der erste Eindruck ist bekanntlich bleibend und so haben die ersten 90 Tage in einem neuen Job großen Einfluss auf Ihr Image, Ihre Beliebtheit sowie auch Ihren späteren beruflichen Erfolg im Unternehmen.
Prinzipiell gilt hier das Motto: Treten Sie erst einmal bescheiden sowie zurückhaltend auf – nicht aber schüchtern. Sie können und sollten sich durchaus selbstbewusst präsentieren. Nehmen Sie aber die Beobachterrolle ein, anstatt bereits am ersten Tag Ihre Kollegen zu belehren oder die Abteilung übernehmen zu wollen. Die Frage ist nur: Was genau sollen Sie eigentlich beobachten?
Im Sinne der Unternehmenskultur ist Konformität gefordert
Die unausgesprochene Deadline lautet in der Regel: Innerhalb von 90 Tagen sollte ein neuer Mitarbeiter im Unternehmen angekommen sein und sich integriert haben. Das bedeutet nicht unbedingt, dass damit auch die Einarbeitungsphase vorüber ist. Stattdessen geht es um die Unternehmenskultur: Nach etwa drei Monaten sollte ein neuer Angestellter nicht mehr aus der Masse herausstechen oder negativ auffallen. Während zu Beginn vielleicht noch der eine oder andere Fauxpas geduldet und ein Auge zugedrückt wird, endet diese Schonfrist zur Anpassung in vielen Unternehmen nach etwa 90 Tagen. Als neuer Mitarbeiter haben Sie also rund drei Monate Zeit, um die Unternehmenskultur zu beobachten und in die Konformität zu gehen.
Wie viel Authentizität erlaubt die Unternehmenskultur?
Das bedeutet keinesfalls, dass Sie Ihre Individualität oder Authentizität aufgeben müssen. Heterogenität ist in der Belegschaft meist durchaus erwünscht und wird mittels „Diversity Management“ sogar bewusst gefördert. Dennoch sorgt die einheitliche Unternehmenskultur für das wichtige Zusammengehörigkeitsgefühl innerhalb eines Betriebs. Ein Minimum an Anpassung muss daher jeder Mitarbeiter leisten, ansonsten wäre keine harmonische und gemeinschaftliche Zusammenarbeit möglich, bei welcher alle Beteiligten am gleichen Strang ziehen. Bei der Unternehmenskultur geht es also um geteilte Werte, Ziele und Verhaltensgrundregeln. Wie viel Authentizität innerhalb dieser Schranken möglich ist, schwankt hingegen von Unternehmen zu Unternehmen. Auch das muss ein Neuankömmling innerhalb der ersten 90 Tage beobachten und herausfinden.
Jedes Unternehmen sollte einen Leitfaden über seine Kultur erstellen
Wäre es nicht wünschenswert, wenn Ihnen das Unternehmen am ersten Arbeitstag einen Leitfaden mit allen relevanten Informationen zur Unternehmenskultur an die Hand gäbe? Zwar gibt es in vielen Firmen Leitsätze oder Leitwerte, jedoch keinen praxisnahen „Guide“ für neue Mitarbeiter. Dieser würde ihnen die Beobachterrolle in den ersten 90 Tagen im neuen Job ersparen. Dadurch könnten sie schneller sowie effizienter mitarbeiten, anstatt sich mit den sozialen Verhaltensmustern und ungeschriebenen Gesetzen im Unternehmen zu beschäftigen. Leider handelt es sich dabei aber bislang nur um einen Idealfall, welcher in den wenigsten Firmen bereits realer Alltag ist. Und solange der Arbeitgeber die Sache mit der Unternehmenskultur nicht in die Hand nimmt, müssen Sie als Mitarbeiter sich eben selbst helfen. Aber wie?
Unternehmenskultur analysieren: Achten Sie auf diese fünf Punkte
Wenn Sie die Unternehmenskultur innerhalb der 90-Tage-Frist möglichst schnell analysieren sowie adaptieren möchten, finden Sie hier nun die fünf Punkte, auf welche Sie achten sollten. So können Sie sich einen eigenen „Guide“ erstellen, um die Kultur im Betrieb zu erfassen und Fehltritte zu vermeiden. Welche Punkte sind also die Grundpfeiler der Unternehmenskultur?
1. Soziale Beziehungen: Achten Sie darauf, wie soziale Beziehungen im Unternehmen gestaltet werden. Sind sie eher eng oder arbeitet jeder für sich selbst? Herrscht Gefühlskälte oder sind Emotionen akzeptiert und in welchem Ausmaß? Wie wird die Zusammenarbeit im Team organisiert? Hierbei geht es um so simple Grundregeln wie: Duzen oder siezen sich die Kollegen, Vorgesetzten und Co? Gibt es Tabuthemen? Wie wird mit Konflikten umgegangen? Gerade im sozialen Bereich gibt es nämlich viele Fettnäpfchen, welche Sie allerdings mit etwas Vorsicht problemlos vermeiden können.
2. Kommunikation: Analysieren Sie anschließend die Kommunikation etwas genauer. Ob sich die Personen duzen oder siezen wissen Sie ja bereits. Aber über welche Kanäle sprechen sie miteinander? Werden eher E-Mails geschrieben oder Telefonate geführt? Wie laufen Meetings ab? Entstehen Gespräche mit Kollegen zufällig oder sollen Sie fixe Termine vereinbaren? Und wie läuft die Kommunikation zwischen verschiedenen Hierarchieebenen ab? Gibt der Chef zum Beispiel einseitige Kommandos oder handelt es sich um einen Dialog auf Augenhöhe? Wenn Sie es schaffen, sich an die internen Kommunikationsregeln anzupassen, haben Sie bereits die wichtigste Lektion zur Unternehmenskultur gelernt.
3. Entscheidungsfindung: Hinsichtlich der Hierarchie ist ebenfalls interessant, wie Entscheidungen im Unternehmen getroffen werden. Wie viel Zeit brauchen diese und handelt es sich demnach eher um starre oder flexible Strukturen? Wer darf bei Entscheidungen mitreden? Wie werden diese bekanntgegeben? Welche Entscheidungsgewalt steht Ihnen in Ihrer Position zu? Wen müssen Sie bei einem Anliegen einbeziehen oder für eine Entscheidung um Erlaubnis fragen? Wie die interne Entscheidungsfindung abläuft, sagt viel über das Unternehmen und seine Kultur aus. Halten Sie also Augen und Ohren offen!
4. Teamwork: Zwar herrscht in den meisten Unternehmen das Prinzip der Arbeitsteilung und so hat jede Arbeitskraft ihr individuelles Fachgebiet, dennoch kann diese nur mit Teamwork funktionieren. Es gibt sehr wenige Berufe, welche ohne Kooperationen mit anderen Personen ausgeübt werden können – sei es mit Kollegen, Vorgesetzten oder Kunden. Dennoch kann es von Betrieb zu Betrieb Unterschiede geben, wie hoch die Zusammenarbeit zwischen den Angestellten geschätzt wird. Bei einigen wird der Teamgedanke bis in die höchsten Ebenen gelebt, im Sinne einer demokratischen Unternehmenskultur. Bei anderen ist das Teamwork eher ein Mittel zum Zweck, damit jede Fachkraft mit den notwendigen Informationen und Hilfestellungen schlussendlich wieder ihren eigenen Aufgaben nachgehen kann. Achten Sie also darauf, wie groß das „Wir-Gefühl“ im Unternehmen ist – oder eben nicht.
5. Flexibilität: Wir leben in einer Welt mit komplexen Veränderungen. Die Digitalisierung, der Fachkräftemangel und viele weitere Entwicklungen führen aktuell dazu, dass viele Unternehmen umdenken und moderner werden müssen. Interne Strukturen verändern sich ebenso wie äußere Gegebenheiten. Dennoch gibt es große Unterschiede, wie das „Change Management“ in einer Unternehmung gelebt wird. Wie flexibel ist sie? Wie schnell und umfassend finden Veränderungen statt? Handelt es sich dabei eher um notwendige Anpassungen oder nimmt die Firma eine Vorreiterrolle ein? Sind die internen Strukturen eher konservativ oder innovativ? Diese Aspekte sagen viel über das Selbstverständnis eines Unternehmens und dessen Belegschaft aus und entscheiden zudem zu großen Teilen darüber, ob Ihr neuer Arbeitgeber zu Ihnen passt oder eher nicht. Ein fortschrittlich denkender Mensch wird sich in einem konservativen Traditionsunternehmen auf Dauer eher nicht wohlfühlen – und umgekehrt.
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