Entscheidungsspielräume klären: So professionalisieren Sie die Entscheidungsfindung in Ihrem Unternehmen

Die Geschwindigkeit, in der Entscheidungen gefällt werden, bestimmt den Grad der Agilität von Organisationen. Dabei spielen zwei Dinge eine entscheidende Rolle: Die Bereitschaft von Führungskräften zur Delegation von Entscheidungsbefugnis und die Klärung der Entscheidungsspielräume.

Ob nun in hierarchisch strukturierten Organisationen oder in Netzwerken mit zunehmender Selbstorganisation − alle Unternehmungen sind der Forderung ausgesetzt, schneller zu werden. Einen wichtigen Anteil am Zeitkonsum haben Prozesse zum Fällen von Entscheidungen. Wer muss bei “ordnungsgemäßem Ablauf” gefragt und einbezogen werden? Welcher Vorgesetzte behält sich das letzte Wort vor? Diese etablierten Entscheidungswege über die Hierarchien sind auch heute noch oft lang und langsam. Gleichzeitig ist oft genug nicht klar, welchen Spielraum jede/r Beteiligte hat. Wer darf, wer muss, wer kann, wer soll die Verantwortung von Entscheidungen tragen?

Es gilt also zunächst, die Erwartungen aneinander zu klären. Was und inwieweit sollen die Mitarbeiter selbst entscheiden? Was entscheidet die Führungskraft und wann werden die Mitarbeiter inwieweit einbezogen? Da die Antworten auf diese Fragen von Fall zu Fall variieren können, empfiehlt es sich, entlang konkreter Fälle das Vorgehen abzusprechen.

Einsatzmöglichkeiten

Die folgende Vorgehensweise stellt ein Hilfsmittel im Führungsalltag dar. Sie fördert Klarheit und Handlungssicherheit. Sehr gut eignet sie sich zum Beispiel als wiederkehrender Agendapunkt auf Führungs-Meetings. Dort werden traditionell Entscheidungen gefällt. Und dort stellt sich oft die Frage nach den nächsten Schritten auf dem Weg in eine gemeinsame Zukunft. Das klare Zuordnen von Entscheidungen und die zunehmende Sicherheit im Ausnutzen der Entscheidungsspielräume führt weg von dem oft mit Ängsten belegten, „Wie geht’s weiter?“, hin zu „Wie gehen wir weiter?“.

Teams mit unklaren Entscheidungsspielräumen erkennt man an:

– Diskussionen scheinen sich im Kreis zu drehen
– Entscheidungen fallen zögerlich
– Es herrscht Angst, Fehler zu machen
– Geschachere von Zuständigkeiten
– Es fallen häufig Aussagen wie “Das ist nicht meine Aufgabe” oder “Ich konnte nicht, weil…“
– Die Konsequenzen einer Entscheidung werden oft bis in die letzten Details ausgeleuchtet.
– Rückdelegationen an die Führungskraft
– Neues wird oft als bedrohlich eingeordnet
– Es macht sich Starre oder gar Agonie breit

So gehen Sie vor:

1. Entscheidungsfälle sammeln (Zeitbedarf ca. 10 Min.)
Sprechen Sie das Thema „Entscheidungsspielräume klären“ in einem Teammeeting oder einem Projektmeeting an und erklären die Zielsetzung und das Vorgehen. Bitten Sie die Teilnehmer, praktische Entscheidungsfälle aus dem Alltag zu sammeln.

2. Durchführung des Meetings (Zeitbedarf ca. 30 – 60 Min.)
Bereiten Sie zur allgemeinen Übersicht eine Skala mit den unten stehenden Positionen vor (Quelle „Kontinuum der Teilhabe“ nach R. Wunderer).
Kennzeichnen Sie die beiden Endpositionen mit den Bezeichnungen „autoritärer Führungsstil“ und „autonomer Führungsstil“. Unterteilen Sie die Skala mit Hilfe von Moderationskarten mit den Zahlen 1 bis 7. Legen Sie die Skala auf dem Boden des Raumes aus:

1. Vorgesetzter entscheidet ohne Konsultation der Mitarbeiter.
2. Vorgesetzter entscheidet, versucht vor Anordnung aber, die Mitarbeiter von seinen Entscheidungen zu überzeugen.
3. Vorgesetzter entscheidet, gestattet aber Fragen zu seinen Entscheidungen, um Akzeptanz zu erreichen.
4. Vorgesetzter informiert Mitarbeiter über beabsichtigte Entscheidungen. Die Mitarbeiter sollen vor der endgültigen Entscheidung ihre Meinung äußern.
5. Die Gruppe entwickelt Vorschläge, Vorgesetzter wählt aus den Lösungsvorschlägen.
6. Die Gruppe entscheidet, nachdem Vorgesetzter Problem und Entscheidungsspielraum beschrieben hat.
7. Die Gruppe entscheidet, Vorgesetzter fungiert als Koordinator.

Wählen Sie einen Entscheidungsfall aus der Liste aus und bitten den Einreicher diesen vorzustellen. Alle Teilnehmer stellen sich im Raum auf der ausgelegten Skala auf, wie Sie denken, dass die Entscheidung des vorgestellten Falles heute gehandhabt wird. Fragen Sie eventuell kurze Begründungen der Extrempositionen ab. Im zweiten Anlauf stellen sich die Teilnehmer auf die Skala, wie sie diese bzw. derartige Entscheidungen gern in Zukunft treffen wollen. Jede/r gibt eine kurze Begründung, warum er/sie an dieser Position steht.

Es folgt eine gemeinsame Entscheidung darüber, wie es in Zukunft gehandhabt wird. Wenn es keine Einigung gibt, entscheiden Sie als Vorgesetzte(r). Bitten Sie einen Teilnehmer die Ergebnisse zu dokumentieren. Besprechen Sie auf diese Art weitere Fälle aus der im Vorfeld angeregten Sammlung.

3. Transfer in den Alltag (Zeitbedarf ca. 15 – 20 Min.)
Diskutieren und vergemeinschaften Sie abschließend die getroffenen Verabredungen.
– Was prägt unsere heutige Entscheidungsfindung?
– Welche Cluster – welche Systematik leiten wir aus den heute diskutierten Fällen ab?
– Welche Art von Entscheidungen wollen wir möglicherweise bündeln?
– Wie wollen wir in Zukunft bei unklaren Entscheidungsspielräumen vorgehen?
Schließen Sie das laufende Meeting mit einer kurzen Reflexion auf der Metaebene ab. Dazu dient zum Beispiel die einfache Frage: Was war überraschend bei der heutigen Diskussion?

4. Reflexion nach 2 bis 3 Monaten (Zeitbedarf ca. 30 Min.)
Besprechen Sie: Was hat sich bewährt? Wo gibt es Unklarheiten oder Unsicherheiten?
Unter Umständen ist es notwendig, die Verabredung anzupassen oder auch nochmals neue Entscheidungsfälle zu besprechen, um das Verständnis zu verfeinern.
Immer so, dass Sie dieser Weg zu mehr Handlungssicherheit und zu mehr Entscheidungsgeschwindigkeit führt.

Resumee

Im Zuge der Forderung nach Innovation, Geschwindigkeit, Agilität gilt es vor allem, Stagnation zu vermeiden. Nicht aufeinander warten, sondern miteinander mutig in die Zukunft gehen, ist das Mandat der Stunde. Entscheidungen bringen Dinge in Bewegung, entfalten Wirkung, bringen Neues in die Welt. Experimentieren Sie!