Viele Coaches wollen mehr und lukrativere Aufträge haben. Doch zugleich erachten sie das Verkaufen als eine unehrenhafte Tätigkeit. Sie setzen das Verkaufen mit Klinkenputzen gleich – ähnlich wie bei einem Versicherungsvertreter. Bernhard Kuntz erklärt, wieso dieses Denken Coaches mehr schadet als nützt.
Viele Coaches setzen das Verkaufen unbewusst damit gleich, anderen Menschen etwas aufzuschwatzen. Und sie pochen darauf, ihr Wertesystem verbiete ihnen dies. Doch wenn die Auftragsbücher leer sind, wird dieses Prinzip meist über Bord geworfen. Trifft dann eine Kundenanfrage ein, sagen sie meist „Ja“ zum Auftrag – selbst wenn sie das Gefühl haben: Eigentlich bin ich hierfür nicht der richtige Coach.
Um das zu vermeiden, gilt: Eine systematische Marktbearbeitung und ein aktives Verkaufen sind nicht ein Verrat an den eigenen Prinzipien. Denn wenn das Auftragsbuch voll ist und ausreichend Folgeaufträge in der Pipeline sind, fällt es Coaches auch leichter, zu potenziellen Kunden „Nein“ zu sagen, wenn diese nicht in ihr Portfolio passen.
Den eigenen Markt bearbeiten statt auf das Beste hoffen
Die eigentliche Ursache, warum viele Coaches „Pfui Teufel“ zum Verkaufen sagen, ist: Sie wollen zwar hohe Honorare und Umsätze erzielen, jedoch weder Zeit noch Geld ins Verkaufen investieren. Sie hoffen, dass ihnen die Aufträge zufliegen. Dies ist in einem weitgehend gesättigten Markt, in dem eine immer größere Schar von Coaches um eine begrenzte Zahl von Aufträgen buhlt, meist ein Tagtraum.
Coaches müssen sich vor Augen führen, dass sie eine Leistung verkaufen, die aus Kundensicht in der Regel teuer ist; außerdem eine Leistung, bei der die Kaufentscheidung – aus Kundensicht – extrem risikobehaftet ist. Denn die Kunden können die immaterielle Leistung Coaching vorm Kauf weder anfassen, um ihre Qualität zu prüfen, noch können sie diese, wenn sie ihnen nicht den erhofften Nutzen bringt, zurückgeben oder umtauschen. Entsprechend zögerlich sind die meisten Personen und Organisationen, wenn es um den Kauf von Beratungsleistungen wie Coaching geht.
Aufgabe: Die Zielkunden zur Kaufentscheidung führen
Außerdem kauft niemand ein Coaching so spontan, wie zum Beispiel ein Eis am Stiel. Der Kaufentscheidung geht stets ein längerer Prozess voraus, in dem der Kunde mehrere Bewusstseinsstufen durchläuft.
Bewusstseinsstufe 1: „Der Coach xy existiert.“ Dies zu wissen, ist die Grundvoraussetzung, damit ein potenzieller Kunde einen Coach überhaupt kontaktieren kann.
Bewusstseinsstufe 2: „Der Coach xy könnte mir einen Nutzen bieten, weil…“ Gelangt ein potenzieller Kunde nicht zu dieser Überzeugung, besteht für ihn kein Anlass, sich näher über einen Coach zu informieren.
Bewusstseinsstufe 3: „Der Coach xy bietet mir tatsächlich einen Nutzen, weil…“. Ohne diese Überzeugung erwägt kein Interessent ernsthaft, einem Coach einen Auftrag zu erteilen.
Bewusstseinsstufe 4: „Der Nutzen, den ich aus dem Coaching ziehe, ist größer als die Investition.“ Nur wenn ein Interessent zu dieser Gewissheit gelangt, öffnet er auch sein Portemonnaie.
Die Hausaufgaben als Unternehmer machen
Verkaufen heißt nichts anderes, als potenzielle Kunden Schritt für Schritt zu obiger Gewissheit zu führen – aufgrund des Mehrwerts, den ich ihnen als Coach zum Beispiel aufgrund meiner Kompetenz, Erfahrung oder Arbeitsweise, verglichen mit den Mitbewerbern, biete. Also sollten Coaches, die mehr Aufträge gewinnen möchten, sich überlegen: Wie mache ich meinen Zielkunden klar, dass es mich gibt? Und wie vermittle ich Ihnen, dass ich Ihnen einen Nutzen bieten könnte? Das Ergebnis ist ein Marketing- und Vertriebssystem, in dem die Einzelmaßnahmen wie die Zahnräder eines Uhrwerks ineinander greifen und die Zielkunden Schritt für Schritt zur Kaufentscheidung führen.
Ein solches Marketing- und Vertriebssystem setzt voraus, dass der Coach weiß: Wem kann ich aufgrund meiner Erfahrung und Kompetenz einen Nutzen beziehungsweise Mehrwert bieten? Denn nur bezogen auf diese Zielkunden kann er eine überzeugende Verkaufsargumentation entfalten – also ihnen darlegen, warum diese sich für ihn (und keinen Mitbewerber) entscheiden sollten. Auf diese Zielkunden, und niemanden sonst, sollte er dann auch sein Marketing und seine Verkaufsaktivitäten fokussieren.
Die eigenen Werte leben statt sie nur zu postulieren
Verkaufen bedeutet also nichts anderes, als dass ein Coach seinen Zielkunden aufzeigt und transparent macht, warum sich ein Coaching bei ihm für sie lohnt. Es hat nichts damit zu tun, sich zu verbiegen oder die eigenen Prinzipien und Werte zu verraten. Im Gegenteil! Es ist eine Voraussetzung, sich treu zu bleiben, damit der Umsatz stimmt.
Zum Autor: Bernhard Kuntz ist Geschäftsführer der PRofilBerater GmbH, Darmstadt, die Trainer, Berater und Coachs bei ihrer Selbstvermarkung unterstützt. Er ist u. a. Autor des Marketing-Ratgebers „Die Katze im Sack verkaufen“.