Führungskräfte können heute kaum noch auf Coaching verzichten. Eine sinnvolle Führungskräfteentwicklung hat jedoch erst dann höchste Intensität und Erfolgswahrscheinlichkeit, wenn von den individuellen Voraussetzungen der Führungskraft ausgegangen wird.
Das ist im Coaching viel leichter zu gewährleisten, als in einem Seminar. Die Bedürfnisse der Führungskraft stehen im Coaching immer im Mittelpunkt. Diese Bedürfnisse müssen nicht, wie in einem Seminar, mit anderen Teilnehmern geteilt und koordiniert werden. Auch die Überprüfung, inwieweit Entwicklungsschritte tatsächlich den gewünschten Erfolg generieren, ist im Coaching noch präziser und erfolgreicher herzustellen.
1. Coaching schärft die Wahrnehmung
Führungskräfte sind regelmäßig mit Feedbacks konfrontiert, die jedoch Verzerrungen unterliegen. Das Feedback kann erstens strategisch verzerrt sein. Das bedeutet, das Feedback hilft nur dem Feedbackgeber, nicht der Führungskraft. Im Feedback sind die Absichten des Feedbackgebers verborgen. Hier geht es dem Feedbackgeber oft darum, eine Abhängigkeit der Führungskraft herzustellen im Sinne von: „Chef, fragen Sie erst mich, bevor Sie entscheiden.“
Das Feedback kann zweitens durch Wohlwollen verzerrt sein. Hier wird der Mantel des Wohlwollens über das Verhalten des Vorgesetzten gelegt. Alles nicht so schlimm, alles gut. Das kann die treue Sekretärin sein, der Ehemann oder die Ehefrau.
Zum dritten gibt es das aggressive Feedback. Hier geht es darum, durch das Feedback der Führungskraft zu schaden. Es wird überzeichnet, alles schlimmer dargestellt als es war. Der Chef soll sich schlecht fühlen.
Im Coaching geht es um die Neutralisierung dieser drei Verzerrungen. Der Coach hilft der Führungskraft ihre Wahrnehmung zu schärfen und Feedbacks noch besser in ihrer Qualität einzuschätzen. Gleichzeitig gibt es immer wieder Überlegungen, die eine Führungskraft mit niemandem aus seinem beruflichen oder privaten Umfeld besprechen kann, ohne dass dies Folgen hätte. Kann eine Führungskraft die Überlegung den Job zu wechseln mit dem Vorgesetzten besprechen, mit Kollegen oder der Ehefrau? Hier kann der Coach die Wahrnehmung ebenfalls aus einer neutralen Position heraus schärfen.
2. Entwicklungsschritte definieren
Wohin möchte sich eine Führungskraft entwickeln? Welche Entwicklungsschritte sind sinnvoll, welche hilfreich oder nützlich? Welche Entwicklungsschritte sind möglich? Oft liegt Unbehagen über die derzeitige Situation vor, ohne zu wissen warum genau. Hier ist der Coach gefragt, der gemeinsam mit dem Coachee ermittelt, in welchen beruflichen oder persönlichen Bereichen eine Entwicklung notwendig und wünschenswert ist.
Es geht zunächst um eine präzise Bedarfsermittlung. Das wird ohne ein systematisches Reflektieren der bisherigen Verhaltens- und Denkmodelle nicht möglich sein. Welche Motive, Interessen, Bedürfnisse und handlungsleitenden Werte haben das bisherige Verhalten und Handeln geprägt? Wie kann der Gecoachte die zukünftigen Aufgaben bewältigen und sich und anderen gerecht werden? All dies wird gemeinsam festgelegt. Ebenso der Coachingprozess, der zum definierten Ergebnis führen soll. Es geht um die Festlegung der Arbeitsschritte als notwendige Voraussetzung für ein Coaching.
Hinzu kommt die frühzeitige Klärung, wer an dem Coachingprozess beteiligt ist. Nicht immer ist der Coachee der Auftraggeber, sondern die Personalabteilung oder der direkte Vorgesetzte. Es muss im Vorfeld geklärt sein, wer worüber informiert wird oder informiert werden darf. Und es wird mit allen Beteiligten abgestimmt, wie der Prozess gestaltet wird.
3. Entwicklung kontrollieren
Gutes Coaching bedarf der Kontrolle. Was sind die Milesstones? Welche wurden wie erreicht? Welche Maßnahmen waren erfolgreich, welche sollten weiter optimiert werden? Der Coach hat die Aufgabe, hier genau nachzufragen, gemeinsam mit dem Coachee realitätsnah Erfolge und einzelne Schritte auf dem Weg zu noch mehr Führungserfolg kritisch zu hinterfragen. Gleichzeitig hilft es dem Coachee Erfolgsschritte zu besprechen, um die Eigenmotivation weiter zu stärken.
4. Die Entscheidung bleibt bei der Führungskraft
Der Coach überlegt gemeinsam mit dem Coachee, welche Alternativen die Führungskraft hat. Es gilt, die Möglichkeiten einer Entscheidung und die Entscheidungsfolgen möglichst umfassend zu ermitteln. Es kommt oft genug vor, dass erst nach einer Entscheidung durch die Entscheidungsfolgen klar wird, ob eine Entscheidung richtig war oder falsch. Genau hier ist der Coach dazu da, gemeinsam mit dem Coachee zu überprüfen, ob die Führungskraft etwas übersehen hat oder in der Prioritätensetzung eventuell etwas ungenau bewertet. Dieser Prozess wird beendet mit der Frage: „Was wollen Sie tun, was halten Sie jetzt für das Beste?“ Die daraus folgende Entscheidung trifft nur der Coachee. Selbst die Empfehlung: „Ich an Ihrer Stelle würde es so machen“, ist kontraproduktiv. Das Aufzeigen von Handlungsalternativen gehört zum Leistungsspektrum des Coachs, das Entscheiden bleibt jedoch immer das Hoheitsgebiet der Führungskraft.
5. Der Coach macht sich überflüssig
Das Ziel des Coachings ist es, zu helfen, die Einstellung und Orientierung des Gecoachten zu dynamisieren und durch konstruktiv-kritische Reflexion die Handlungsalternativen selbständig zu ergründen. Dadurch wird die Handlungsfähigkeit optimiert. Es geht darum, die Führungskraft in die Lage zu versetzen, anstehende Probleme zukünftig ohne den Coach im Griff zu haben. Wichtig für beide, Coach und Führungskraft, ist es, jede Form von Abhängigkeit zu vermeiden. Der Coach ist weder Guru noch Alleswisser. Er ist kein Ratgeber, sondern jemand, der durch Fragen hilft, der Führungskraft noch mehr Selbständigkeit im Erkennen von Handlungsalternativen so zu vermitteln, dass der Coachee nach gegebener Zeit auf den Coach auch wieder verzichten kann. Und genau darüber sollten sich beide freuen.