Mobbing – ja oder nein? Viele Opfer sind sich unsicher. Wie also sehen typische Mobbinghandlungen aus? Der Katalog der 100+ Mobbinghandlungen bringt Klarheit.
Mobbing beginnt häufig schleichend und für das Opfer kaum merklich. Dementsprechend schwierig kann es sein, Mobbing in einer frühen Phase zu identifizieren und zu bekämpfen, bevor es zu spät ist. Mit der Zeit nimmt der Psychoterror nämlich an Häufigkeit sowie Heftigkeit zu und meist ist der Schaden beim Betroffenen dann bereits zu groß, als dass er noch einen krankheitsbedingten Arbeitsausfall oder sogar eine Kündigung abwenden könnte – trotz möglicher Unterstützung durch den Vorgesetzten. Mobbing ist daher ein Thema, welches alle Beteiligten etwas angeht: Täter, Opfer, Kollegen, Vorgesetzte und das Unternehmen als Gesamtheit. Wie also lässt es sich bereits in einem so frühen Stadium erkennen, dass Folgeschäden noch vermieden werden können?
Definition der 45 Mobbinghandlungen nach Heinz Leymann
Der Diplompsychologie sowie Pionier der Mobbingforschung Heinz Leymann unternahm als Erster den Versuch, Mobbinghandlungen zu definieren und dadurch in einem Grundlagenkatalog niederzuschreiben. Er sortierte die insgesamt 45 aufgeführten Mobbinghandlungen in fünf verschiedene Kategorien ein:
- 1. Angriffe auf Möglichkeiten, um sich mitzuteilen
- 2. Angriffe auf soziale Beziehungen
- 3. Angriffe auf das soziale Ansehen
- 4. Angriffe auf die Qualität der beruflichen sowie Lebenssituation
- 5. Angriffe auf die Gesundheit
Laut Leymann reicht aber eine solche Handlung noch längst nicht aus, um von Mobbing zu sprechen. Es beschreibt stattdessen einen systematischen Psychoterror, bestehend aus regelmäßigen Angriffen mit zunehmender Häufigkeit sowie Heftigkeit. Wie bereits erwähnt, beginnt Mobbing in der Regel also schleichend und findet dann immer schwerwiegender sowie in kürzeren Intervallen statt. Hierbei handelt es sich in der Regel nicht immer um denselben Angriff, sondern eine Mischung unterschiedlicher Handlungen aus der gleichen oder verschiedenen Kategorien.
Welche also sind die 100+ typischen Mobbinghandlungen?
Der Diplompsychologe Dr. Axel Esser und der Rechtsanwalt Dr. Martin Wolmerath haben diesen Katalog der 45 Mobbinghandlungen nach Leymann zu Beginn des 21. Jahrhunderts erneut aufgegriffen und entsprechend der modernsten Erkenntnisse zum Thema Mobbing ergänzt. Mittlerweile umfasst er über 100 typische Mobbinghandlungen, welche sowohl für die Definition vor Gericht wichtig sind als auch für das Opfer selbst, um die Schikane erkennen und richtig einordnen zu können. Die mittlerweile zehn Kategorien sowie einige ihrer beispielhaften Mobbinghandlungen sind folgende:
1. Angriffe gegen die Arbeitsleistung und das Leistungsvermögen
– Manipulation der Arbeitsergebnisse
– Vorenthalten von Informationen, welche für die Arbeit relevant wären
– Bewusste Zuweisung von Arbeiten, welche das Opfer überfordern
– Verweigerung von Hilfe oder der gemeinsamen Arbeit
– Überraschungsangriffe wie die willkürliche Änderung von Abgabeterminen
2. Angriffe gegen den Bestand des Beschäftigungsverhältnisses
– Willkürliche Abmahnungen oder Kündigungen
– Blockade einer Beförderung
– Bewusstes Zurückhalten des Gehaltes beziehungsweise Arbeitsentgeltes
– Behinderung von Weiter- und Fortbildungsvorhaben
– Unterstellung von Fehlverhalten oder strafbaren Handlungen
3. Destruktive Kritik
– Ignorieren von Verbesserungsvorschlägen
– Demütigende und überzogene Kritik
– Ständige sowie andauernde Kritik
– Entmutigung sowie bewusstes Ausbremsen der Motivation
– Pauschale Kritik in Form einer Generalisierung
Angriffe gegen die soziale Integration am Arbeitsplatz
– Versetzung möglicher Bündnispartner oder Freunde
– Räumliche Isolation
– Demonstratives Schweigen beim Betreten eines Raumes beziehungsweise eines Gespräches
– Bewusstes Ausschließen von Treffen informeller oder geselliger Art
– Unterdrückung von Meinungsäußerungen des Opfers
5. Angriffe gegen das soziale Ansehen im Beruf
– Bewusste Verbreitung oder Weiterleitung von Gerüchten
– Demonstrative scheinbar positive Sonderbehandlung
– Bloßstellen in der betrieblichen Öffentlichkeit
– Demütigung sowie Beleidigung in der Anwesenheit Dritter
– Unterstellung einer psychischen Erkrankung
6. Angriffe gegen das Selbstwertgefühl
– Ruppige Art der Konversation oder Demütigung des Betroffenen
– Gezielte Ungleichbehandlung
– Übertriebene Kontrolle bis hin zur beruflichen Entmündigung
– Aufbauschen von Fehlern
– Publikation von persönlichen Schwächen
7. Angst, Schreck und Ekel erzeugen
– Erzeugen von Angst
– Erzeugen von Schrecken, zum Beispiel durch Spinnen im Schreibtisch
– Erzeugen von Ekel
– Einschüchterung, zum Beispiel durch körperliche Gewaltandrohung
– Anordnung, seine psychische Gesundheit ärztlich überprüfen zu lassen
8. Angriffe gegen die Privatsphäre
– Telefonterror nachts oder tagsüber
– Zurücknahme oder Verschiebung eines bewilligten Urlaubs
– Schlechtmachen des Opfers im privaten sozialen Umfeld
– Ängstigung oder Belästigung von Familienangehörigen
– Ständige Abwertung von Meinungen, religiösen sowie politischen Ansichten usw.
9. Angriffe gegen die Gesundheit und körperliche Unversehrtheit
– Bewusste Verunreinigung von Lebensmitteln
– Gewaltanwendung bis hin zu körperlichen Angriffen
– Sexuelle Belästigung
– Sabotage von Sicherheitsmaßnahmen
– Aufforderung zum Suizid
10. Versagen von Hilfe
– Unterlassen von Hilfeleistung
– Schuldzuweisungen und Vorwürfe gegenüber dem Opfer
– Bewusstes Ignorieren von Mobbinghandlungen
– Verharmlosen von Beschwerden bis hin zum Lächerlichmachen
– Dulden von Mobbing gegenüber dem Betroffenen
Egal, ob Sie also selbst betroffen sind oder die Situation aus der Sicht eines Dritten beurteilen möchten, zum Beispiel als Vorgesetzter oder Richter, kann der Katalog der 100+ Mobbinghandlungen nach Wolmerath und Esser eine wichtige Hilfestellung sein, wenn es um die Frage geht: „Mobbing – ja oder nein?“.
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