New Work basiert auf der Vorstellung einer modernen, den gesellschaftlichen Entwicklungen angepassten Arbeitswelt. Sie fokussiert sich auf die Bedürfnisse des Mitarbeiters in einem Unternehmen sowie auf die Unternehmenskultur.
„Sozialromantisch“ sagen viele dazu, „der Realität ins Auge sehend“ sage ich.
Bereits 74% Prozent der deutschen Unternehmen (Kienbaum New Work Pulse Check) haben bereits erkannt, dass New Work ein extrem relevantes Thema ist und dieses auf ihre Agenda gesetzt. New Work umfasst viele verschiedene Dimensionen. Für mich ist allerdings „Führung“ einer der Enabler für authentische New Work-Bestrebungen. Der aktuelle Gallup Engagement Index zeigt, dass sich 97% der Manager für eine gute Führungskraft halten, allerdings zwei von drei Arbeitnehmern (69%) im Laufe ihres Arbeitslebens mindestens einmal einen für sie schlechten Vorgesetzten hatten (Gallup Engagement Index 2017). Da passt doch etwas nicht zusammen?
Dieses Studienergebnis trieb mich um und ich wollte mit jemandem sprechen, der das Thema „Führung“ am offenen Herzen behandelt. Und so kam ich auf Christian. Christian ist Head of Training Strategy & Execution bei einem globalen Pharma-Konzern mit mehr als 100.000 Mitarbeiter weltweit und hat sich das Thema „New Work“ auf die Fahne geschrieben. Christian sagt, dass die erste Schnittstelle zwischen Mitarbeitern und Personalentwicklung die direkte Führungskraft ist. Deswegen arbeitet er mit Führungskräften am Konzept „Unboss“ und stößt dabei manchmal an Grenzen – bei Mitarbeitern und Führungskräften.
– Lieber Christian, welche Bedeutung hat New Work für dich?
– New Work bedeutet für mich, dass jedem Mitarbeiter eine hohe Eigenverantwortung zugesprochen wird. Mitarbeiter entscheiden selbstständig, was im Rahmen ihres Verantwortungsbereiches möglich und nötig ist. Jeder darf als Unternehmer im Unternehmen agieren und hat somit die größtmögliche Verantwortung innerhalb des Jobprofils. Auch eine offene Fehlerkultur liegt mir am Herzen. Es muss erlaubt sein, Fehler zu machen – nur so kann auch aus Fehlern gelernt werden.
– Bist du bei so viel Eigenverantwortung für deine Mitarbeiter auch schon mal auf die Nase gefallen?
– Ja, absolut (lacht). Man kann nicht davon ausgehen, dass immer alles direkt so funktioniert, wie man sich das vorstellt. Mit viel Eigenverantwortung fühlen sich manche Mitarbeiter schnell überfordert und sehen im ersten Moment die vielen Vorteile gar nicht, die sie dadurch haben könnten. Da ist es dann wichtig, noch mehr zu erklären, was Eigenverantwortung bedeutet und wie man es für sich nutzen kann. Ich begleite meine Mitarbeiter bei diesem Prozess, aber: es wird anspruchsvoller, je mehr Mitarbeiter ich habe.
– In welchen Bereichen ist New Work für dich relevant?
– Überall! In allen Bereichen muss man in erster Linie dafür sorgen, dass Menschen verstehen, dass sie wichtig sind und sie deswegen Entscheidungen treffen können. Meine Mitarbeiter bekommen von mir den vollen Support, wenn sie eine Entscheidung für ihren Bereich getroffen haben. Am Ende stehe ich nicht da und sage „hättest du es mal so gemacht, wie ich es dir gesagt habe“, sondern wenn wirklich etwas schief geht, unterstütze ich auch bei der Lösungsfindung. Ich unterstütze ein partnerschaftliches Miteinander. Das bedeutet aber auch, dass ich von meinen Mitarbeitern erwarte, nicht in eine Konsumentenhaltung zu verfallen.
– In deiner Position als Personalentwickler promotest du dieses Konzept der Eigenverantwortung auch im Unternehmen, deine Zielgruppe dabei ist vor allem die Führungsriege. Wie gehst du das Thema bei – ich nenne es mal eher nostalgischen – Führungskräften an?
– Meine Führungskräfte bekommen einen Sparringspartner außerhalb der Linie an die Seite gestellt. Mit diesem können sie sich über konkrete Situationen innerhalb ihres Teams austauschen und auch mal einen fachlichen Rat einholen. Das allein ist für manche Führungskräfte schon eine Herausforderung, sich für andere Ideen zu öffnen. Da sage ich immer: Zieht euer Superheldenkostüm aus! Erzählt euren Mitarbeitern und Peers von euren Fehlern, seid mal mutig und etabliert so eine gesunde Fehlerkultur.
– Steht New Work bei euch auf der strategischen Agenda?
– Ich habe manchmal das Gefühl, alle reden darüber aber keiner macht es so richtig. Wir haben auf jeden Fall schon konkrete Initiativen, die in Form von Speedboats im Unternehmen umgesetzt werden. Wir hängen „New Work“ stark im Bereich Führungskräfteentwicklung auf, denn der erste Personalentwickler ist und bleibt die direkte Führungskraft. Ganz konkret nehmen wir uns dem Thema „unbossing“ an. Dabei geht es in erster Linie darum, den Mitarbeitern als Führungskraft auf Augenhöhe zu begegnen, ihnen Freiraum zu geben und weniger zu führen als mehr zu coachen.