Wir alle kennen diesen einen Kollegen, der auch dann zur Arbeit kommt, wenn andere nicht einmal mehr den Weg zum Kühlschrank bewältigen würden. Egal ob mit Grippe oder psychisch vollkommen überlastet – dieser Kollege ist anwesend, zumindest physisch. Dieses Verhalten hat einen Namen: Präsentismus. Doch es nützt weder dem Arbeitnehmer, noch dem Arbeitgeber. Und gerade dieser fördert Präsentismus häufig, wie eine Studie der Hochschule Coburg zeigt.
Führungsverhalten trägt maßgeblich zu dem Phänomen bei
Werfen wir mal einen Blick auf das Führungsverhalten in Unternehmen. Das Ergebnis einer Studie der Hochschule Coburg hat ergeben, dass:
– 33% der Führungskräfte ihre Mitarbeiter bei einer ernsten Erkrankung NICHT nach Hause schicken.
– 17% der Führungskräfte finden, dass man sich von häufig kranken Mitarbeitern trennen sollte.
– 10% der Führungskräfte ein Prämiensystem bei wenigen Krankheitstagen für ein geeignetes Steuerungsinstrument halten.
Das bedeutet, dass ein beträchtlicher Teil der Führungskräfte sich nicht genügend um die Gesundheit der eigenen Mitarbeiter sorgt. Stellt sich die Frage, wie die Manager es mit ihrer eigenen Gesundheit halten. Die Antwort ist ähnlich erschreckend: 58% der Befragten gehen auch mit einer mittelschweren Erkältung zur Arbeit, 29% arbeiten von zu Hause. Um die Vorbildfunktion ist es also noch schlechter bestellt.
Das zeigt, dass bei vielen Führungskräften noch nicht angekommen ist, dass die eigene Gesundheit und die der Mitarbeiter ein großer Erfolgsfaktor für das Unternehmen ist.
Leistungsdruck als Trigger für Präsentismus
In unserer Gesellschaft gilt noch immer die Anwesenheit als Leistungskriterium. Ohne einen 12-Stunden-Tag ist heute so manches Arbeitspensum einer Führungskraft nicht zu schaffen – erst außerhalb der Kernzeiten kommen diese dann ihren Führungsaufgaben nach. Innerhalb der Kernzeit erledigen sie das Tagesgeschäft, wie Meetings und die tägliche E-Mail-Flut, die es schließlich auch noch zu bewältigen gilt. Das System frisst also seine eigenen Leistungsträger.
Doch hier eine gute Nachricht: Teilweise erfolgt bereits ein Umdenken, das äußert sich beispielsweise in der Implementierung eines betrieblichen Gesundheitsmanagements. Dass das nicht nur für die betroffenen Mitarbeiter, sondern auch für die wirtschaftliche Gesundheit des Unternehmens essenziell ist, zeigen folgende Zahlen.
Harte Fakten: Das kostet Präsentismus den Arbeitgeber
Der Kölner Wissenschaftsprofessor Wilfried Pause hat wiederholt festgestellt, dass kranke Mitarbeiter im Durchschnitt 40% weniger leisten. Das ist bei einer normalen 40-Stunden-Woche ein Verlust von 16 Stunden, was sich anhand des Gehaltes leicht in Geld umrechnen lässt. Auch die Wahrscheinlichkeit, dass aus Präsentismus eine langfristigere, schwerere Erkrankung folgt, steigt mit den Tagen, die krank gearbeitet wird – und das ist für den Arbeitgeber dann richtig teuer. Ebenfalls können andere Mitarbeiter durch den kranken Kollegen angesteckt werden und so für weitere Ausfälle sorgen. Präsentismus kann im schlimmsten Fall also einen ganzen Rattenschwanz an Kosten nach sich ziehen.
Eine Studie der Unternehmensberatung Booz & Company für die Felix-Burda-Stiftung beziffert den wirtschaftlichen Schaden noch präziser: Die durchschnittlichen Kosten, die deutschen Unternehmen pro Jahr und Arbeitnehmer durch krankheitsbedingte Fehlzeiten entstünden, beliefen sich auf 1199 Euro. Die Kosten für Präsentismus hingegen lägen bei 2399 Euro pro Jahr und Mitarbeiter – das Phänomen verursacht der Studie nach also doppelt so hohe Kosten wie ein gewöhnlicher Ausfall durch Krankheit.
Das können Arbeitnehmer und Arbeitgeber tun
Da krank zur Arbeit zu gehen auch bedeutet, bewusst die eigene Gesundheit zu gefährden, lautet die Handlungsempfehlung: Zuhause bleiben, um so den Genesungsprozess zu unterstützen und einer möglicherweise dauerhaften Erkrankung vorzubeugen. Vorgesetzte müssen dabei ein besonderes Auge auf Ihre Angestellten haben: Schleppt sich ein Kollege krank zur Arbeit und läuft sogar Gefahr, andere anzustecken, muss der Chef aktiv werden und den Mitarbeiter selbst nach Hause schicken.
Bei psychischen Erkrankungen empfiehlt die Arbeitsmedizin hingegen ein möglichst langes Verweilen am Arbeitsplatz bzw. eine zügige Wiederaufnahme der Arbeit. Das wird als bedeutsam für die Prävention und Linderung von psychischen Erkrankungen gesehen. In diesen Fällen ist zwar mit Produktivitätseinbußen zu rechnen, dennoch lautet die Empfehlung hier ganz eindeutig: Präsentismus erhöhen.
Aus dem Blickwinkel der der monetären Folgen von Präsentismus betrachtet lautet die Empfehlung, ein betriebliches Gesundheitsmanagement, verbunden mit dem Ausbau der betrieblichen Gesundheitsförderung, zu implementieren. So wird der Gesundheit der Mitarbeiter in den betrieblichen Prozessen ein besonderer Stellenwert beigemessen und Probleme können frühzeitig erkannt und gelöst werden. Was erst einmal mit einem Kostenaufwand verbunden ist, zahlt sich zum späteren Zeitpunkt aus – und zwar dann, wenn das Unternehmen von der erhöhten Produktivität seiner Mitarbeiter profitieren kann.