Holen Sie Ihr Unternehmen aus der Beschleunigungsfalle

Wenn ein ganzes Unternehmen den Blues hat, dann sitzt es vermutlich in der Beschleunigungsfalle – diese schnappt zu, wenn ein Unternehmen schnell und unkontrolliert wächst. Denn das Burnout-Syndrom kann nicht nur einzelne Personen, sondern auch ganze Teams oder Organisationen erfassen.

Wenn Manager sich vom Markt unter Druck gesetzt fühlen, halsen sie ihrem Unternehmen häufig mehr auf, als es verträgt: Die Zahl der Projekte steigt, Leistungsvorgaben werden erhöht, Innovationszyklen verkürzt. Dieses rasante Tempo führt zu chronischer Überlastung aller Beteiligten. Die Folgen: demotivierte Mitarbeiter, die Ausrichtung und Positionierung des Unternehmens wird verwässert, die Kunden verwirrt. Erschöpfung und Resignation machen sich breit, die besten Mitarbeiter kündigen: Das Unternehmen sitzt in der Beschleunigungsfalle fest.

Weitere Folgen sind, dass die Mitarbeiter nicht ausreichend Ressourcen für ihre Arbeit zur Verfügung haben, ständig unter hohem Zeitdruck arbeiten und regelmäßige Erholungspausen vermissen. Sie klagen über mangelnde Kommunikation innerhalb des Unternehmens und unrealistische Leistungsvorgaben. Mit fatalen Konsequenzen: Eine heiß gelaufene Organisation entwickelt sich wie eine verengende Spirale. Dem hektischen Aktionismus folgen Chaos und Tunnelblick. Der Kopf ist nicht mehr frei, das Denken wird verengt.

Beispiel für den Ernstfall

In diese Beschleunigungsfalle geraten Unternehmen meist nach einem rasanten Boom. Wie zum Beispiel ABB, nach dem Zusammenschluss der schwedischen ASEA und der schweizerischen BROWN BOVERI. Durch den Zukauf von 55 Unternehmen wurde ein exorbitantes Wachstum generiert, was dazu führte, dass in den einzelnen Konzernbereichen die linke Hand nicht mehr wusste, was die rechte tat. Die ABB Verkäufer in den verschiedenen Ländern konkurrierten um die gleichen Kunden, mit der Folge, dass diese sich verärgert abwandten und bei der Konkurrenz bestellten. Die Konsequenzen, die gezogen wurden, waren die Aufgabe unrentabler Bereiche und  Projekte, interne Umstrukturierungen und die Einführung eines strengen Cost-Controllings. Letztlich hat ABB so die Kurve gekriegt.

Checkliste: Mögliche Lösungsansätze

Es gibt also Möglichkeiten, Unternehmen aus der Beschleunigungsfalle herauszuführen. Mögliche Hebel sind:

– Unnötige Arbeits- und Projektgruppen auflösen und die frei werdenden Ressourcen für die Marktbearbeitung und Innovationen verwenden. Die Anzahl der Projekte herunterfahren.

– Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fragen, welche Projekte sie wieder anstoßen würden, welche strategisch bedeutend und erfolgreich sind.

Strategieentwicklung: Die neue Strategie mutig und offen kommunizieren.

– Einen systematischen Ausleseprozess festlegen, die Kriterien kommunizieren, das Kosten-Nutzen-Verhältnis aufzeigen.

– Dezentrale Strukturen mit mehr Spielraum für einzelne Geschäftsfelder und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können ebenfalls präventiv wirken.

– Bei neuen Projekten müssen Ressourcenbedarf und Führung geklärt werden. Es gilt, Prioritäten zu setzen und Platz für das Neue zu schaffen.

– Eine „Beerdigungskultur“ einführen: Ein Projekt einzustellen kann schmerzlich sein, vor allem für diejenigen, die sich damit identifizieren. Es gilt eine Kultur aufzubauen, in der Projekte ohne Gesichtsverlust aufgegeben werden können. Eine solche „Beerdigung“ kann auch mit einer kleinen Feier zum Abschied ritualisiert werden.

Doch für eine nachhaltige Entschleunigung reicht es nicht, das Projektportfolio im Blick zu behalten. Die gesamte Unternehmenskultur muss sich verändern:

– Um bestimmte Ziele zu erreichen kann es nötig sein, sämtliche Kräfte zu bündeln und allenfalls Projekte vorübergehend auf Eis zu legen.

– Pausen sollten nicht als störende Unterbrechungen, sondern als Fenster für kreative Denkprozesse betrachtet werden.

– Der bewusste Wechsel zwischen Hochleistungs- und Erholungsphasen führt nachweislich zu außergewöhnlichen Innovationen und überdurchschnittlichem Erfolg.

– Erfolge verdienen Anerkennung und sollten gefeiert werden.

– Das Management sollte Entschleunigung aktiv vorleben und nachhaltig im Unternehmen implementieren.

– Regelmäßige Feedback-Runden können dazu führen, dass bei Anzeichen von Stress und Überarbeitung im betroffenen Team selbst Lösungen entwickelt und umgesetzt werden.

Fazit

Der strategische Umgang mit Burnout ist Chefsache. Strukturen, Funktionen und Aufgaben sind so zu gestalten, dass Erschöpfung vermieden oder zumindest rechtzeitig erkannt wird. Entscheidend ist dabei, dass die Mitarbeiter entsprechend ihren Ressourcen und Stärken eingesetzt werden. Denn diese sind das größte Kapital der Unternehmen. Und das darf nicht „verbrannt“ werden.

Da Führungskräfte jedoch nicht immer sensibel oder fachlich ausgebildet für die Lösung solcher Probleme sind, greifen diese immer häufiger zu externer Unterstützung durch professionelle Coaches. Diese können als externe und neutrale Beobachter das Unternehmen beraten und bei der Identifikation nachteiliger Prozesse helfen. Der Coach kann zum Beispiel auch beim Aufbau neuer Strukturen oder eines Kommunikationsplans unterstützen – je nachdem, an welchen Stellen Beratung nötig ist.