Heute schon gejammert? Wer permanent unzufrieden in seinem Job ist, sollte sich nicht seinem Schicksal ergeben. Karrierecoach Aila Kruska erklärt im Gespräch mit XING Coaches, wie Sie aus dem Teufelskreis ausbrechen können und in welchen Situationen nur noch ein Jobwechsel hilft.
XING Coaches: Woran erkenne ich meine Unzufriedenheit im Job?
Aila Kruska: Es gibt Unternehmen oder Menschengruppen, bei denen herrscht so etwas wie ein Grundjammerton. Es gehört zum guten Ton, dass man nicht begeistert ist und zum Beispiel nicht erzählt, was gerade gut im Job läuft oder wie gut einem ein Projekt gefällt. Es herrscht ein negativer Grundton. Ich nenne das eine „kollektive Unzufriedenheit“. Das kann sich zu einer Art Spirale, Kreislauf oder Teufelskreis entwickeln, aus dem schwer auszubrechen ist. Daher ist es wichtig, zu hinterfragen: Was genau macht mich unzufrieden? Was ist es ganz konkret, das mich stört.
XING Coaches: Und wie viel Frustration im Job ist „normal“?
Aila Kruska: Gegenfrage: Sind Sie jeden Tag zu 100 Prozent mit Ihrem Job und den damit verbundenen Tätigkeiten zufrieden? Und das auch über einen längeren Zeitraum? In der Tat ist das erstrebenswert – aber ganz ehrlich: Ich glaube, das ist nicht so wirklich realistisch. Viel entscheidender sind Fragen: Ab wann macht es krank? Wann bin ich so von dieser Thematik beherrscht, dass diese Unzufriedenheit in andere Lebensbereiche eingreift? Nicht immer sind wir Opfer. Wir sind gleichzeitig Akteure unseres Lebens, das heißt, wir stehen am Steuerrad und geben die Richtung vor. Klar, wir müssen Wellengang, Strömungen, die Windstärke und Untiefen berücksichtigen. Wenn ich mich aber nur als Spielball verstehe, habe ich keine Kraft und keine Ideen, etwas zu ändern. Es geht darum, es irgendwie zu ertragen. Wichtig ist daher, selbst etwas zu ändern. Und dann kommen wir zum nächsten Schritt und zur nächsten Fragestellung: Was habe ich von einem Wechsel oder einer Veränderung? Denn ich muss aktiv werden und einiges investieren – kein Geld, sondern Zeit, Energie und Gedanken. Welchen Nutzen ziehe ich daraus und was kommt am Ende heraus? Dann folgt die Abwägung: Lohnt sich das Investieren bei dem möglichen Ergebnis?
XING Coaches: Dabei spielen doch sicher auch die Arbeitstätigkeiten, das Arbeitsklima oder die Kollegen eine Rolle?
Aila Kruska: Genau, richtig! Was genau löst die Unzufriedenheit aus? Ist es vielleicht ein bestimmtes Projekt oder zu viel oder zu wenig Herausforderungen? Ist die Arbeit zu monoton, gibt es zu viel Routine oder sind die Aufgaben zu wechselhaft? Wir Menschen sind ganz unterschiedlich gestrickt. Vielleicht sind es auch die Kollegen, das Umfeld oder auch der Arbeitsweg? Wenn man jeden Tag nicht weiß, ob man eine halbe Stunde oder anderthalb Stunden für die Fahrt ins Büro oder nach Hause braucht, kann das unzufrieden machen. Es gibt viele Einflussgrößen auf Zufriedenheit. Daher ist es wichtig, die stärksten Einflüsse zu erkennen. Mit den Kollegen oder der Führungskraft kann ich ein Gespräch führen. Da habe ich irgendwie Einfluss drauf. Auf die Unternehmenskultur ist dies nur mittelbar möglich. Die Stimmung in der Abteilung lässt sich vielleicht auch beeinflussen, manche Dinge aber auch nicht.
XING Coaches: Muss man denn für einen Jobwechsel auch den Arbeitgeber wechseln?
Aila Kruska: Nein, nicht immer. In einem kleinen Betrieb sind die Möglichkeiten vielleicht eingeschränkt oder nicht ganz so groß, wie bei einem Großunternehmen oder Konzern. Zunächst kann ich überlegen, wie ich mein Aufgabenfeld ändern kann: Kann ich andere Projekte hinzunehmen oder abgeben? Dann bin ich vielleicht in einem anderen Team, habe andere Kollegen und andere Vorgesetzte. Vielleicht kann ich auch die Niederlassung oder das Arbeitsmodell wechseln. Oder Stichwort „Home Office“ – das hängt ganz klar vom Job und davon ab, ob dieses Modell möglich ist. Man kann sich überlegen, den Job an sich zu verändern, die Aufgabe oder die Rahmenbedingungen. Wenn man das ausgereizt hat, ist manchmal auch eine andere Unzufriedenheit vorhanden: Ich kann mit der Branche gar nichts mehr anfangen, also so eine Art „Sinnkrise“. Oder die persönlichen Werte und Prioritäten haben sich im Laufe der Zeit verändert: Nach dem Studium war man vielleicht begeistert als Unternehmensberater in ganz Deutschland oder Europa Einsätze zu haben, als Mittvierziger stehen vielleicht andere Themen hoch im Kurs. Dann merke ich einfach, ich will etwas komplett anderes machen. Dann reicht es vielleicht nicht mehr an der einen oder anderen „Stellschraube“ zu drehen, dann kann ein Arbeitgeberwechsel sinnvoll sein.
XING Coaches: Wie finde ich dann einen neuen Job, der zu mir passt?
Aila Kruska: Im nächsten Schritt schaue ich, was gibt es am externen Markt. Auch hier: Werden Sie zum Akteur: Schauen Sie sich Jobbörsen an, Unternehmen und deren Webseiten, welche Jobs werden angeboten. Aber auch hier kann ich schnell in eine Opferrolle rutschen, getreu dem Motto: Es gibt ja nichts auf dem Arbeitsmarkt! Neben dem Recherchieren ist es daher ebenso wertvoll, rauszugehen und mit Menschen zu sprechen. Der Blick über den Tellerrand und Gespräche mit Freunden und Kollegen sind wichtig. Man muss nicht jedem sagen, dass man auf Jobsuche ist – das ja nicht immer so günstig ist. Aber es lohnt sich, ein Gespräch zu führen, wie es in einer anderen Branche oder in einem anderen Unternehmen ist, welche Probleme und welche Herausforderungen es dort gibt. So bin ich Akteur der eigenen beruflichen Entwicklung. Oft bekommt man auch gleich Rückmeldung zu den eigenen Kompetenzen und ein besseres Gefühl für den Markt.
XING Coaches: Wie entscheidet man sich sinnvoll und richtig?
Aila Kruska: Zunächst sollten die Gründe der Unzufriedenheit sehr kleinteilig mit den Rahmenbedingungen des neuen Jobs verglichen werden, damit sie nicht erneut auftauchen. Es darf keine Blackbox-Entscheidung sein. Ich muss wissen, was ich brauche. Es geht darum, zu reflektieren und diesen Prozess bewusst zu gestalten. Wichtig: Lassen Sie dennoch Raum für das Bauchgefühl. Es geht auch immer darum, wie ich mich fühle. Wie ist das Bauchgefühl während eines Gesprächs in einem Unternehmen? Auch der Zufall ist wichtig. Indem ich Gespräche führe, rausgehe, mich unterhalte, und nicht im Teufelskreis der Unzufriedenheit und des Jammerns bleibe, kann ich viel ändern. Dann kann etwas Neues entstehen. Wie häufig berichten meine Klienten, dass sie plötzlich weiterempfohlen werden oder Hinweise bekommen von Unternehmen, die Leute mit ihren Erfahrungen suchen. Und warum? Weil sie etwas an ihrer inneren Haltung geändert haben. Sie haben quasi einen Schalter umlegt und Unzufriedenheit dient plötzlich als innerer Antrieb, um eine Änderung herbeizuführen.
XING Coaches: Wie können falsche Entscheidungen im beruflichen Kontext korrigiert werden?
Aila Kruska: Im Prinzip gilt zu definieren: Was genau ist falsch? Wenn ich nach dem vorher beschriebenen Prinzip vorgegangen bin, wird die Entscheidung seine Gründe gehabt haben. Manchmal kann man – auch wenn man sich anstrengt – nicht jede Entscheidung bis auf das letzte Detail abwägen, manchmal ändern sich auch unvorhergesehen die Rahmenbedingungen. Unternehmen werden verkauft, neue Märkte entwickelt, liebgewonnene Kollegen verlassen das Team oder das Unternehmen. Es gibt aber auch Menschen, die sich bei Entscheidungen lediglich auf ihr Bauchgefühl verlassen und denen jegliche sachliche Abwägung fremd ist. Auch dann, wenn sie später merken, dass es doch anders war, sagen sie trotzdem: In dem Moment war es richtig, weil mein Bauchgefühl mir das gesagt hat. Wir Menschen sind ganz unterschiedlich. Ich finde, in einer solchen Situation ist wichtig, nach vorne schauen. Wenn ich merke, eine Entscheidung hat sich – warum auch immer – als nicht ganz so prickelnd herausgestellt, muss ich weitergehen. Woran liegt es, dass ich nicht mehr zufrieden bin? Ich fange dann wieder von vorne an.
XING Coaches: Gibt es denn einen Tipp, wie ich von vornherein den „richtigen“ Weg einschlage?
Aila Kruska: Wenn Sie schon am Anfang genau hinschauen und sich fragen, was macht mich zufrieden und was eher nicht, dann können Sie diesen Kreislauf verhindern oder eher aussteigen. Es entwickelt sich kein Teufelskreis, denn aus dem herauszukommen, ist schwerer. Wir Menschen sind lernfähig, das heißt: Jobsuchende und Arbeitnehmer können sich weiterentwickeln. Lernfähig bedeutet für mich aber auch, aus Fehlern zu lernen.