Beziehungsprobleme sorgen nicht nur im Privaten für Krach. Auch Unstimmigkeiten im beruflichen Miteinander wirken sich auf die Zufriedenheit und die Motivation der Mitarbeiter aus. Wie Sie die Beziehung zu Ihren Mitarbeitern wieder verbessern können, erklärt Ihnen Rainer Herlt.
Wenn ein Großteil der Mitarbeiter zum Dienst nach Vorschrift neigt, wird dafür oft die fehlende soziale Kompetenz der Vorgesetzten verantwortlich gemacht. Gleichzeitig zeigt sich in der Gesellschaft eine neue Individualisierung. Mitarbeiter wollen mit ihren Kompetenzen und Fähigkeiten mehr gesehen werden und diese eigenständiger einsetzen. Führungskräfte stoßen viel häufiger als früher an ihre eigenen Grenzen, angesichts dieser immer komplexer werdenden Arbeitsstrukturen.
Mit Widerständen richtig umgehen
Anzeichen nicht funktionierender Beziehungen zeigen sich oft in Dissonanzen in Form von mehr der weniger offen geäußerten Widerständen („Ja aber“, „das geht nicht…“) und subtil gezeigtem Abwehrverhalten. Nicht selten entstehen so latente oder sogar offene Konfliktsituationen, die ein effektives Handeln stark behindern.
Jeder Widerstand ist ein Symptom für ein nicht erfülltes persönliches Bedürfnis. Meistens wird versucht, diese Widerstände zu entkräften, indem beispielsweise Führungskraft und Mitarbeiter lediglich ihre individuellen Sichtweisen auf Basis der Faktenlage wiederholen. Im weiteren Verlauf verweist dann der Vorgesetzte meist auf zwingende Notwendigkeiten von Aufgaben und Strategien. Der Widerstand seitens des Mitarbeiters wird dadurch größer und im nächsten Schritt drohen Konsequenzen. Diese Vorgehensweise hat sicherlich in manchen Situationen Erfolg und ihre Berechtigung. Viel öfter trägt allerdings diese Reaktion auf Widerstände nicht zu einer wirklich nachhaltigen Zusammenarbeit bei.
Kommunikation ist die Lösung
Was also tun? Das Beste ist, über genau das reden. Und das bedeutet, die Beziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeiter bei Gesprächen in den Vordergrund zu stellen. Beide müssen über Führen und Geführt-Werden sprechen. Das erfordert eine andere, eine neue Haltung.
– Führung bezieht ihre Wirksamkeit nicht mehr aus Position und Status, sondern aus dem ernsthaften Bedürfnis, miteinander im Sinne der Unternehmensziele zusammen zu arbeiten – so einvernehmlich wie möglich.
– Beiderseitiger Respekt und Akzeptanz entsteht aus der Fähigkeit, miteinander ehrlich über die gegenseitigen Erwartungen, Wünsche, Zweifel, und Befindlichkeiten zu sprechen.
– Autorität wächst aus der Bereitschaft, zuzuhören, andere Ideen als Optionen zu betrachten und der Abkehr von der vermeintlichen Unfehlbarkeit. Das bedeutet einen sicher schwierigen Spagat zwischen Konsensbereitschaft und Durchsetzungsfähigkeit.
Mut zur Veränderung
Nicht nur die Führungskräfte müssen sich ein ganzes Stück weit aus ihrer von der Unternehmenskultur reservierten „Exklusivrolle“ herauswagen. Auch Mitarbeiter müssen ihre von der Leitkultur geschaffene Empfängerrolle aufgeben und Stück für Stück Verantwortung für ihren Status, ihre Situation und Emotionen übernehmen. Und beide müssen sich genau über diese Aufteilung unterhalten.
Führungsbezogene Mitarbeitergespräche mit „Notfallplänen“
Um den skizzierten neuen Gegebenheiten und Ansprüchen gerecht zu werden, ist es zunächst notwendig, top-down eine neue Führungskultur gemäß der neuen Haltungscharakteristika zu formulieren. Das geht nicht von heute auf morgen. Gleichzeitig können, sozusagen bottom-up, Führungskräfte und Mitarbeiter ihre Jahresgespräche eigenständig so gestalten, dass diese Prinzipien einfließen. Letztendlich geht es doch darum, durch eine neue Beziehungsgestaltung, Kooperation sowie Aufgaben- und Zielmanagement im Sinne des Unternehmens zu optimieren. Für das Gelingen tragen beide Seiten die Verantwortung.
Anregungen für mögliche Fragen
In der Vorbereitung der Gesprächsinhalte können folgende Fragen hilfreich sein, die die Beteiligten zunächst einmal für sich beantworten:
Führungskräfte
– Was brauche ich vom Mitarbeiter, um ihn optimal zu führen.
– Was kann ich dazu beitragen, was kann der Mitarbeiter von mir erwarten?
– Was sind meine wichtigsten Ressourcen dazu?Aus welchen positionsunabhängigen Gründen sollte sich der Mitarbeiter von mir führen lassen?
Mitarbeiter
– Was benötige ich von der Führungskraft, um optimal geführt zu werden?
– Was kann ich dazu beitragen, was kann die Führungskraft von mir erwarten?
– Welche meiner Ressourcen möchte ich (stärker) einsetzen und das auch mitteilen?
– Was an meiner Person könnte eine gute Führung behindern?
Mitarbeiter und Vorgesetzte sprechen dann so offen und authentisch wie möglich über diese Fragen. So entwickeln Sie eine Beziehung auf Augenhöhe und vereinbaren deren Eckpunkte.
Gleichzeitig besprechen sie „Notfallpläne“: Wie gehen wir damit um, wenn Erwartungen der einen oder anderen Seite nicht erfüllt werden (können)? Gute Beziehungen benötigen Vertrauen als „Brennstoff“. Wenn beide offen über ihre Werte und Bedürfnisse sprechen, erhöht dies die Chance, dass Vorgesetzte und Mitarbeiter für ihre Aufgaben und Ziele wirklich brennen, weil sie an deren Gestaltung und Kontrolle beteiligt werden und sich bei der Umsetzung gegenseitig besser vertrauen.
Fazit
Diese neuen Führungs- und Gesprächskultur erfordern Veränderungen aller Beteiligten in Haltung und Verhalten. Bisher gab es unendlich viele Coachingangebote für Führungskräfte, aber selten Seminare für Mitarbeiter zu diesem Thema. Warum? Weil das der bisher hierarchisch geprägten topdown-Kultur entsprach. Die Beziehungspartner blieben außen vor. Zukünftig müssen sowohl Führungskräfte als auch Mitarbeiter zu diesem Prozess befähigt werden.