Leitbilder sind mittlerweile ein fester Bestandteil der meisten Unternehmenskulturen. Viele Unternehmen halten Ihre Normen und Werte in einem entsprechenden Code of Conduct fest. Daraus geht hervor, dass der Nutzen von tatsächlich gelebten Unternehmenswerten weitgehend anerkannt wird. Business-Coach Michael Mayer verrät, warum die Normen und Werte eines Unternehmensleitbildes vor allem zu den Mitarbeitern ihrer Organisation passen müssen.
Viele Unternehmensleitbilder werden in einem aufwendigen und kostenintensiven Prozess entwickelt. Entweder innerhalb der Organisation oder mit der Hilfe externer Dienstleister. Die Ergebnisse dieser Entwicklungsprozesse sehen häufig ähnlich aus und können auf nahezu jedes Unternehmen zutreffen. Standardaussagen sind an der Tagesordnung:
– Wir übernehmen wirtschaftliche und gesellschaftliche Verantwortung…
– Wir stehen für vertrauensvolle Kundenbetreuung…
– Wir finden für Ihre Ziele…
– Partnerschaftlich – Was einer alleine nicht schafft…
In Bezug auf die Wirksamkeit dieser Aussagen möchte ich Sie bitten, sich folgenden Fragen zu Ihrem Leitbild zu beantworten:
– Kennen Sie die Werte Ihres Unternehmens?
– Können Sie die Punkte Ihres Leitbildes aus dem Stegreif sagen?
– Gibt Ihnen Ihr Leitbild Orientierung?
– Definiert es konkrete Verhaltensweisen, die mit den darin enthaltenen Werten verbunden sind?
– Fordert die Unternehmensführung bzw. die Führungskräfte die Einhaltung dieser Verhaltensweisen ein und lebt sie vor?
Unternehmenswerte müssen zu den Mitarbeitern passen
Laut Peter Drucker (amerikanischer Ökonom und Pionier der modernen Managementlehre) können Menschen nur dann effektiv arbeiten, wenn die Werte des Unternehmens sich in Teilen mit den Werten des Individuums decken. Je mehr der oben genannten Fragen Sie mit „ja“ beantworten können, desto weniger Energie verbraucht Ihr Unternehmen, um Wertegleichheit herstellen zu können. Desto weniger Energie verbrauchen Sie in der Kommunikation mit Ihren Kollegen und Vorgesetzten, desto schneller sind Konflikte gelöst, umso schneller funktionieren die Prozesse. Insgesamt arbeiten Sie wahrscheinlich in einem gesunden Unternehmen. Je weniger dieser Fragen Sie allerdings mit „ja“ beantworten können, desto höher ist der Aufwand für das Unternehmen und dessen Mitarbeiter Wertegleichheit herzustellen. Die Sitzungen ziehen sich ewig. Projekte dauern überproportional lange. Die gegenseitige Unterstützung könnte besser sein. Operative Hektik tritt an die Stelle von effizientem, zielgerichtetem Handeln. Das Stresslevel der Organisation und der darin lebenden Mitarbeiter ist relativ hoch.
Vorteile einer werteorientierten Unternehmenskultur
Solche Unternehmen verzichten auf diverse Vorteile, die in vielen wissenschaftlichen Studien nachgewiesene wurden und zu einer werteorientierten Unternehmenskultur führen. Zum Beispiel verschiebt sich durch den sozialen Druck der Wertegemeinschaft, die Kontrolle von höherrangigen Mitarbeitern auf gleichrangige Mitarbeiter. Diese Art der Selbstdisziplinierung fördert unternehmerisches Denken und die Bereitschaft der Übernahme von mehr Verantwortung. Außerdem dienen gemeinsame Grundwerte als Kern einer Unternehmenskultur und ermöglichen ein schnelles und routiniertes Handeln im Unternehmensalltag und stellen so einen Mechanismus zur Komplexitätsreduktion dar. Wertegleichheit ermöglicht den Verzicht auf Koordinationsinstrumente, die oft bürokratisch, unflexibel und teuer sind. Eine werteorientierte Unternehmenskultur schafft ein Sonderklima, welches der Gemeinschaft die Fähigkeit zu überdurchschnittlicher Lösungsqualität bei Problemen verleiht. Die Kooperation der Mitarbeiter untereinander wird erhöht, was den entscheidenden Mehrwert des Teams gegenüber der Einzelleistung erzeugt. So kann das vielfach beobachtete Phänomen von Parallelwelten im Rahmen einer Fusion durch neu eingegliederte Unternehmensteile verhindert werden.
Unternehmenserfolg durch gelebte Werte
In Summe verzichten Unternehmen ohne gelebte Grundwerte dadurch auf Ertrag. Das Beratungsunternehmen Deep White hat in Zusammenarbeit mit der Universität St. Gallen herausgefunden, dass ca. ein Viertel des betriebswirtschaftlichen Erfolges von den gelebten Werten eines Unternehmens abhängt. Nur ganz langsam erkennen Unternehmen, dass auch andere Fakten als die „harten Zahlen“ den Unternehmenserfolg ganz entscheidend mit beeinflussen. Die Mehrheit der deutschen Manager glaubt, dass Werte in der Zukunft an Bedeutung gewinnen. Gleichzeitig sind aber knapp drei Viertel der Mitarbeiter der Ansicht, dass diese Werte nur tote Buchstaben sind und nicht gelebt werden.
Es ist an der Zeit, diese Lücke zu schließen
Historisch gesehen ist es den meisten erfolgreichen Unternehmen gemein, dass sie klar ausdefinierte Grundwerte besitzen und diese durch sichtbares Handeln nach außen signalisieren. Führungskräften kommt in diesem Kontext, aufgrund Ihrer Multiplikatoren-Wirkung, eine Schlüsselfunktion zu. Meiner Meinung nach benötigt es kein kostenintensiv entwickeltes Leitbild, das in vielen Fällen nur auf dem Papier steht. Stattdessen reicht ein verbindliches, mit konkreten Verhaltensweisen verbundenes Wertekonzept der Führung aus, um die komplette Unternehmenskultur im Sinne der zuvor genannten Vorteile zu beeinflussen.