Heute habe ich eine provokante Frage an Sie: „Lieben Sie sich?“
Okay, schauen Sie nicht so verschreckt! Auch wenn wir im Deutschen kein schickes Wort für Selbstliebe, Selbstfürsorge und/oder Selbstakzeptanz haben, heißt es noch lange nicht, dass es anrüchig oder gar unmoralisch ist, sich selbst zu lieben und gut für sich zu sorgen. Im Gegenteil!
Schon Moses wurde es vom Herrgott im ersten Gebot klargemacht: „Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst.“ Dass die Menschheit das noch immer nicht richtig verstanden hat, spricht kaum für geistige Brillanz. Doch die Leser dieser Impulse unterscheiden sich wohltuend vom Rest der Menschheit dahingehend, dass Sie sich auf Neues sowie Unbekanntes einlassen und es sogar noch ausprobieren. Sie wissen ja, im Coaching geht es neben dem bewussten Verstehen vor allem um das TUN!
Anstatt nur den ersten Halbsatz des ersten Gebotes zu verinnerlichen, wie es manche Gutmenschen tun oder nur im zweiten Halbsatz zu leben, wie man an der Hybris mancher Karrieristen erkennen kann, wäre es vielleicht doch geschickter, folgende Metapher zu verinnerlichen: Nur ein übervolles Gefäß kann geben, ohne selbst leer zu laufen. Wie wäre es denn, wenn Sie einfach darauf achten, dass Ihr eigenes „Gefäß“ immer gut gefüllt wird, damit Sie großzügig teilen können?
Um das Gefäß gut gefüllt zu halten, ist es wichtig, dass wir unsere eigenen Bedürfnisse erkennen und erfüllen bzw. erfüllt bekommen. Wir alle sind bedürftig nach Liebe, Anerkennung, Wertschätzung, Zugehörigkeit, Sinnhaftigkeit, Erfolg. Jegliche Bedürftigkeit ist gleichzusetzen mit einem Mangel. Es fehlt etwas; man fühlt sich quasi hungrig nach was auch immer. Setzen wir dies in Bezug zur Selbstliebe so können Sie nur dann andere lieben, wenn Sie sich selbst genug lieben. Im Klartext: Erst müssen Ihre Bedürfnisse erfüllt sein, erst dann haben Sie etwas zu geben.
Im Wort Bedürfnis steckt “dürfen” und Sie – wie jeder andere auch – haben die explizite Erlaubnis, sich Ihre (legalen) Bedürfnisse zu erfüllen. Sagen Sie Ihrem Chef/Ihren Kollegen, dass Sie sich über etwas mehr Wertschätzung würden – vielleicht ist ihm/ihnen das nicht bewusst. Bitten Sie Ihre Gefährten darum, Ihnen einmal wöchentlich zu zeigen/sagen, was sie an Ihnen so mögen. Führen Sie ein Erfolgstagebuch und vermeiden Sie sinnentleerte Tätigkeiten, wie Grübeln über Ihre Vergangenheit.
Füllen Sie konsequent Ihre Speicher und legen Sie Vorräte an für die Tage, an denen vermeintlich alles schief läuft und Sie sich von der Welt verlassen fühlen. Erfüllen Sie sich, wenn es denn sein muss, das Bedürfnis nach dem Jammern z.B. “ich bin eben ein armes Schwein” oder „Keiner liebt mich“ oder „Ich bin einfach nicht gut genug“ – doch nur fünf Minuten! Dann verlassen Sie bitte wieder ganz schnell die Opferhaltung und konzentrieren sich auf Ihre Bedürfnisse und entwickeln am besten gleich einen Plan zur ihrer Erfüllung.
Bedürfniserfüllung ist einfach und macht Spaß – legen Sie los! Folgen Sie Lao-Tse, der gesagt hat “Geliebt zu werden macht uns stark. Zu lieben, macht uns mutig.”
In diesem Artikel fordere ich Sie heraus, sowohl liebevoll als auch allen Ernstes das Schwierigste auszuprobieren, das es in unserer sich beständig vergleichenden Gesellschaft gibt: Das Sich-selbst-lieben! Obwohl man eher den Waschbär- als den Waschbrettbrauch trägt, die „bad hair days“ mit Selbstverachtung zelebriert, meint, man sei nicht gut genug und sich für jeden und alles entschuldigt. Schluss damit!
Überlegen Sie mal: Wen finden Sie attraktiver, erfolgreicher? Den Menschen, der Larmoyanz oder „schau mal wie toll ich bin“ pflegt oder denjenigen, die geradlinig seine Meinung vertritt, auch wenn sie mal unpopulär sein sollte. Für den ein Nein ein Nein und ein Ja ein Ja ist? In dem wunderbaren Gedicht „Einladung“ von Oriah Mountain Dreamer gibt es den Satz: „Ich will wissen, ob du andere enttäuschen kannst, um dir selbst treu zu bleiben.“ Das ist Selbstakzeptanz und Selbstliebe in einem.
Es geht hierbei weder um Egozentrik noch um Narzissmus. Es geht darum, sich anzunehmen, so wie man nun einmal gestrickt ist. Zu sich, seinen Bedürfnissen, seinen Werten zu stehen – diese achtsam zu pflegen und wenn nötig auch zu verteidigen. Zu spüren, was einem gut tut und was nicht. Verabredungen mit sich selbst genauso zuverlässig einzuhalten wie die Geschäftstermine. Den eigenen Emotionen Raum zu geben, anstatt eine Political Correctness aufrechtzuerhalten, die a) langweilig und b) sinnlos ist. Früher nannte man das Scheinheiligkeit.
Es geht auch darum, klare Grenzen zu setzen und zu berücksichtigen, dass Nein ein vollständiger Satz ist. Hören Sie auf sich zu verbiegen und stehen Sie zu diesem einen Menschen, der Sie nie verlassen wird, von dem Sie sich nicht scheiden lassen können (ich habe es mehrfach erfolglos versucht) und der Ihnen am nächsten ist – nämlich sich selbst!
Verlieben Sie sich in diese Ihnen weitgehend unbekannte Person. Aus gelebter Erfahrung kann ich Ihnen sagen: Es ist die tollste, aufregendste und attraktivste Beziehung überhaupt!