Ob Cloud Computing, Big Data oder Industrie 4.0 – der Digitalisierungs-Hype ist längst auch im Vertrieb angekommen. Doch die richtige App auf dem Tablet und blindes Datensammeln machen noch lange keinen erfolgreichen Vertriebler aus, ganz im Gegenteil: Vor allem Mittelständler müssen täglich erleben, wie ihnen die Datenflut weniger Zeit für Kunden lässt und die Kommunikation nach innen und außen leidet. Wie also können Vertriebsorganisationen die digitale Reise für sich passend gestalten und dem „Digitalisierungswahn 4.0“ erfolgreich begegnen?
Als Vertriebsverantwortlicher müssen Sie sich den Herausforderungen der Digitalisierung stellen. Denn mit der Nutzung digitaler Möglichkeiten verändern die Kunden auch massiv ihr Verhalten und ihre Erwartungen an den Verkaufsprozess – und dies oftmals schon beim Einstieg. Noch bevor ein Vertriebsmitarbeiter beim potenziellen Kunden einen Termin bekommt, hat dieser viele relevante Informationen online recherchiert, zum Beispiel über Suchmaschinen, Fachblogs oder andere Social-Media-Aktivitäten. Vor allem bei Standardprodukten und -dienstleistungen haben digitale Vertriebswege klar Vorrang in der Kundenpräferenz.
„Millennials“ sind wichtige Entscheider
Hinzukommt, dass rund die Hälfte der Einkaufsverantwortlichen in Deutschland unter 35 Jahre alt sind und diese „Millennials“ ganz selbstverständlich auf digitale Entscheidungsfindungsprozesse setzen. Penetrante Telefonakquise oder Katalogzusendungen sind hier ganz sicher kein geeignetes Mittel zur Umsatzsteigerung. Der Vertrieb über digitale Kanäle hat also vor allem bei Standardprodukten und –dienstleistungen die Nase vorn. Anders bei beratungsintensiven Produkten und Sonderlösungen: Hier sind Vertriebler als Experten gefragt, um für ihren Kunden die optimale technische Lösung individuell herauszuarbeiten. Standardlösungen können und sollten also digital vermarktet werden. Sonderlösungen hingegen bedürfen vor allem einer persönlichen Beziehung mit einem technischen Vertriebs-Experten. Und diesen persönlichen Kontakt kann auch zukünftig keine App ersetzen.
Wichtiger als jede App: Wissen, wie der Kunde „tickt“
Der Aufbau stabiler und auf Vertrauen basierender Kundenbeziehungen bleibt also Kernaufgabe und -kompetenz des Vertriebes. Vor allem die Fähigkeit des Vertrieblers, die Bedürfnisse des Kunden zu verstehen und gemeinsam mit ihm neue Wertschöpfungspotenziale zu erkennen und umzusetzen, ist im digitalen Zeitalter ausschlaggebend. Die Kunst besteht für den Vertrieb darin, zu unterscheiden, welche Vertriebswege der Kunde wirklich braucht und ihm diese auf hohem technischen Niveau anzubieten.
Blick über den Tellerrand
Natürlich ist es von großem Vorteil, wenn Sie im Vertrieb Tablets einsetzen, mit denen Ihr Team im Verkaufs- oder Beratungsgespräch auf das Produktportfolio und relevante Kundendaten zugreifen kann. Um Ihre Kunden aber aktiv und vorausschauend beraten zu können, braucht es einiges mehr: Mitarbeiter, deren Blick über den Tellerrand des reinen Vertriebsinteresses hinausgeht – mit einem umfassenden Wissen über die Märkte, in denen sich ihr Kunde bewegt, über politische und ökonomische Einflüsse sowie allgemeine Branchentrends. Erst damit werden Sie zum echten Partner Ihrer Kunden und sichern sich deren langfristige Loyalität.
Zahlen allein verkaufen kein Produkt – Digitalisierung verlangt Konzeption und Strategie
Wie in allen Zeiten des Wandels ist auch im digitalen Zeitalter Führung besonders wichtig. Um Ihre Vertriebsmannschaft erfolgreich auf eine digitale Zukunft vorzubereiten, müssen Sie ihnen vermitteln, dass auch in Zeiten von Big Data der Kunde bei allen Aktivitäten im Fokus steht. Datensammeln ist kein Selbstzweck! Was nutzt ein ERP-System, das beinahe jeden denkbaren unternehmerischen Prozess abdeckt, bei dem aber die Mitarbeiter nur ganz wenige Module nutzen? Ein weiterer Punkt ist, diese Daten unter ethischen Gesichtspunkten zu betrachten: Was müssen Sie tatsächlich über Ihren Kunden wissen, um eine sinnvolle Beziehung zu ihm herzustellen? Welche dieser Daten sind nicht nur für Ihren geschäftlichen Erfolg irrelevant, sondern auch im Sinne verantwortungsvollen Unternehmertums?
Wenn Tablet auf Notizblock trifft – heterogene Vertriebsteams erfolgreich führen
Die digitale Transformation verändert auch die Art und Weise, wie Ihre Teams räumlich, zeitlich und hierarchisch zusammenarbeiten. Zugleich wird im digitalisierten Vertrieb das Teilen von Informationen (auch zwischen verschiedenen Abteilungen) und Teamwork immer wichtiger. Eine besondere Herausforderung bedeutet es, wenn altverdiente Vertriebler, die bis vor kurzem noch mit dem Notizblock in „ihrem Verkaufsgebiet“ unterwegs waren, und junge „Millennials“ aufeinandertreffen. Diese kennen sich zwar perfekt mit neuen sozialen Medien und digitalen Technologien aus, zeigen aber manchmal große Defizite in der direkten Kundenkommunikation, die es durch Coachings zu verbessern gilt.
Umgekehrt fühlen sich ältere Kollegen durch die neuen Technologien teilweise überfordert oder ausgeschlossen. In solchen heterogenen Teams die Generationen zu vereinen, ist eine wichtige Führungsaufgabe. Dazu gehört auch die Entwicklung neuer Konzepte, wie die Arbeit aufgeteilt wird: Introvertierte Kollegen können sich z.B. im Backoffice bei administrativen Aufgaben am besten entfalten und halten damit extrovertierten, offenen Kollegen den Rücken frei. Die können sich dann voll auf den Kundenkontakt konzentrieren. Viele Unternehmen setzen hier auf wissenschaftlich fundierte Personaldiagnostik, um ihre Teams optimal zusammenzusetzen.
Auf verändertes Kundenverhalten eingehen
Zugegeben: Die Herausforderungen für den digitalen Vertrieb sind enorm. Aber Sie werden diese nicht durch blindes Datensammeln meistern können. Der Mensch ist und bleibt der zentrale Faktor bei der Digitalisierung! Richten Sie deshalb Ihren Fokus weiterhin auf die Bedürfnisse Ihrer Kunden und die Kompetenzen Ihrer Vertriebler – auf Basis einer gelebten Führungskultur, die auf gemeinsame Werte und Visionen setzt. Damit kann Ihrer Vertriebsorganisation der schwierige Spagat gelingen, auf das veränderte Kundenverhalten einzugehen, ohne in der Datenflut unterzugehen – und digitale Medien sinnvoll zu nutzen, ohne den realen und konstruktiven Kundendialog zu vernachlässigen.