Proaktivität und Eigeninitiative sind die Schlüsselqualifikationen in der modernen Arbeitswelt. Mitarbeiter, die proaktiv sind, handeln vorausschauend, entwickeln neue Lösungsstrategien und legen Einsatzwillen an den Tag. Doch manchmal ecken sie damit auch an. Woran Sie als Führungskraft oder HR-Manager proaktive Mitarbeiter erkennen und warum diese für den Erfolg jedes Unternehmens so wichtig sind, verrät das Buch „Das Konzept Eigeninitiative“. In Kooperation mit dem Campus-Verlag veröffentlicht XING Coaches + Trainer folgenden Auszug.
Eigeninitiative bedeutet, dass sich jemand über bestehende Bedingungen hinwegsetzt. Eine Aufgabe oder ein Prozess wird nicht blind übernommen, sondern man überlegt, was man optimieren kann. Man widersetzt sich dem »das wird hier schon immer so gemacht«. Eigeninitiative bedeutet somit immer einen Eingriff in Bestehendes und hat immer einen verändernden, oft auch einen innovativen Charakter. Neben solchen »technischen« Problemen produziert Eigeninitiative auch soziale Barrieren.
Kollegen wehren sich gegen Veränderungen, weil das Aufgeben von Routinen immer mit zusätzlicher Mühe verbunden ist. Vorgesetzte fürchten sich oft vor allzu selbstständigem Handeln der Mitarbeiter. Ängste, dass »sich hier jemand breitmachen möchte« und Vorwürfe der »Kompetenzüberschreitung« entstehen oft im Zusammenhang mit Eigeninitiative. Wenn Routinen infrage gestellt und dadurch Diskussionen angeregt werden, in einer Phase, in der zum Beispiel gerade ohnehin schon hoher Produktionsdruck oder hoher Workload anderer Art herrscht, werden Initiative und die damit verbundenen Ideen oft als störend, unnötig und unpassend empfunden. Die Auseinandersetzung mit neuen Ideen und Vorschlägen bedeutet meistens extra Arbeit und Zeitaufwand. Menschen, die viel Eigeninitiative zeigen, werden deshalb manchmal auch als anstrengend, aufmüpfig, nervig oder sogar als rebellisch empfunden. Eigeninitiative verlangt also einerseits, ohne Scheu Einfluss auf die Umgebung, die Arbeitsgruppe oder auf den Vorgesetzten zu nehmen und andererseits, sich durch etwaige Auseinandersetzungen und Rückschläge nicht entmutigen zu lassen.
Richtig umgehen mit hoch initiativen Mitarbeitern
Für Führungskräfte ist es wichtig, dass sie sich daraufhin überprüfen, ob es Mitarbeiter in ihrem Umfeld gibt, die sie als anstrengend/oder sogar nervenaufreibend empfinden. Falls ja, sollten sie bewusst überlegen, wie sie sich verhalten, bevor sie auf diese Menschen reagieren. Denn genau an diesem Punkt ist eine menschliche Reaktion oft die falsche. Die typisch menschliche Reaktion auf anstrengende Mitarbeiter ist oft, sich demjenigen zu entziehen, sodass einem dieser Jemand nicht auf die Nerven geht. Vorgesetzte haben die Aufgabe, die Produktion ohne Probleme aufrechtzuerhalten; sie haben selber viel um die Ohren, schnell nehmen sie einen hoch initiativen Mitarbeiter als zu anstrengend, zeitraubend und möglicherweise sogar negativ wahr und versuchen, die sprudelnde Energie irgendwie weg zu kanalisieren. Und machen genau in diesem – eigentlich menschlichen – Moment einen großen Fehler, wenn sie nicht professionell auf solche hoch initiativen Menschen eingehen. […]
Der langfristige Blick ist unerlässlich
Es ist wichtig zu wissen, dass Eigeninitiative essenziell ist für das Überleben eines jeden Unternehmens. Wenn Unternehmensspitzen und Führungskräfte das nicht verinnerlichen, haben sie keinerlei Anreiz, die kurzfristigen Unannehmlichkeiten zu ertragen und zu gestalten. Und sie werden ggf. auch im Unternehmen nicht dafür sorgen, dass entsprechende Anreize für die Mitarbeiter geschaffen werden. Langfristig betrachtet, verbessert die Initiative der Mitarbeiter Abläufe und Situationen und damit das Überleben und den nachhaltigen Erfolg des Unternehmens.
Nehmen wir als Beispiel einen Produktionsmitarbeiter, der jeden Tag die gleiche Maschine bedient und an einem bestimmten Punkt immer wieder die Einstellung der Maschine manuell korrigieren muss, weil der Regler dieser Maschine fehlerhaft arbeitet. Der Arbeiter unterbricht dann fast jeden zweiten Tag den Produktionsprozess, zieht teilweise noch einen Einrichter mit hinzu und korrigiert die Einstellung. Danach kann die Produktion dann wieder weiterlaufen. So macht der Arbeiter das tagein, tagaus, denn das ist schließlich sein Job. Ein proaktiver Mitarbeiter wirft einen Blick in die Zukunft und kommt auf die Idee, dass es einen grundlegenden Reparatur- bzw. Überholungsprozess geben muss, der das Problem an der Ursache behebt, um der ständigen Korrekturbedürftigkeit ein Ende zu setzen. Das ist für den jetzigen Zeitpunkt betrachtet sicher aufwändiger und unbequemer und bedeutet zudem eine zusätzliche Investition, löst das Problem aber nachhaltig und verhindert zukünftig immer wiederkehrende Zeitaufwände und – über die Zeit hinweg kumuliert betrachtet – kostenintensivere Unterbrechungen der Produktion.
Die vielen Gesichter der Eigeninitiative
Allein die Fülle der Literatur zeigt, dass eigeninitiatives Verhalten und unterschiedliche Formen der Proaktivität im Arbeitskontext auf breites Interesse stoßen. Eigeninitiative wurde und wird aus vielen unterschiedlichen Perspektiven und Disziplinen heraus untersucht. Eigeninitiative kann sich im konkreten Fall in vielen Spielarten äußern […]. Allen Facetten der Eigeninitiative ist dabei gemein, dass das Handeln immer fokussiert und zukunftsgerichtet ist und auf Veränderungen abzielt, entweder bei sich selbst oder in der Umwelt. Um das Verständnis von hochaktivem Verhalten abzurunden, kann man sich auch vergegenwärtigen, wie das Gegenteil von Eigeninitiative – also ein stark reaktives, passives Verhalten – sich äußert: Man tut, was man gesagt bekommt, man konzentriert sich ausschließlich auf die Gegenwart und nicht auf die Zukunft, man hört auf, etwas zu verfolgen, sobald Schwierigkeiten auftreten oder man reagiert lediglich auf die Umwelt, ohne sie auch nur im Geringsten zu gestalten.
So erkennen Sie proaktive Mitarbeiter:
Mitarbeiter zeigen Eigeninitiative, wenn sie…
– aktiv nach Herausforderungen suchen.
– sich durch Möglichkeiten motiviert fühlen.
– ihnen wichtige Themen beim Management platzieren und mit Nachdruck »nach oben« kommunizieren.
– beharrlich ihre Ziele durchsetzen trotz Hindernissen und Widerständen.
– eigene Ideen und Meinung einbringen.
– Prozessverbesserungen und deren Umsetzung anstreben.
– generell Veränderungen anstreben, um Bestehendes zu optimieren oder noch nicht Bestehendes zu kreieren.
– durch frühzeitiges agieren auf Gruppen und einzelne Personen Einfluss nehmen.
– aktiv soziale Netzwerke aufbauen.
– erweitertes Rollenverständnis zeigen.
– ihre Aufgaben breiter und tiefer re-definieren.
– die Arbeit auch an die eigenen Bedürfnisse anpassen.
– ihren eigenen Job mitformen.
– eigenständig Probleme lösen.
– immer auch die Zukunftsperspektive im Blick haben.
– auch mal Regeln überschreiten bzw. sich durch Situation oder Kontext nicht einschränken lassen.
– den Status quo kritisch betrachten und herausfordern.
– mehr anbieten, als die Aufgabe es verlangt.
– sich selbstständig Feedback einholen.
Sie möchten gern weiterlesen? Das Buch “Das Konzept Eigeninitiative” von Jette Wiegel und Michael Frese ist im März 2018 im Campus-Verlag erschienen. Weitere Informationen finden Sie hier.