Immer wieder werden Sie im Berufsleben mit schwierigen Situationen konfrontiert. Dazu gehört auch Kritik, welche über die Grenzen der Sachlichkeit hinausschießt, Sie auf einer privaten Ebene treffen oder öffentlich bloßstellen soll. Manchmal ist es Ihr Kollege, der Sie vor versammelter Mannschaft beleidigt, manchmal ein frustrierter Mitarbeiter und manchmal ein kritischer Zuhörer bei Ihrer Gastvorlesung an der Universität. So oder so werden Sie als Führungskraft mit hoher Wahrscheinlichkeit mindestens einmal in Ihrer Berufslaufbahn öffentlich bloßgestellt. Wie können Sie darauf richtig reagieren?
Die Reaktion auf eine Beleidigung ist als Führungskraft ein schmaler Grat. Sobald Sie nämlich Zuschauer haben – das Team zum Beispiel, andere Führungspersönlichkeiten des Unternehmens, Kunden, die Presse oder andere – kann eine falsche Reaktion auf eine öffentliche Beleidigung Ihr Image nachhaltig beschädigen und dadurch schlimmstenfalls sogar Ihr Karriereaus bedeuten. Sie müssen einerseits Kritikfähigkeit unter Beweis stellen, dürfen andererseits aber auch nicht zu weich wirken, sonst tanzen Ihnen die Mitarbeiter schnell auf der Nase herum. Gleichzeitig hinterlassen Sie bestenfalls auch noch einen sympathischen Eindruck und beweisen Humor. Dennoch sollten Sie Beleidigungen natürlich nicht einfach im Raum stehen lassen, ansonsten schaltet der Provokateur bald auf die nächste Stufe und der Konflikt droht zu eskalieren. Wie also können Sie klare Grenzen setzen und dabei Ihr Image bewahren oder sogar verbessern?
Führungskräfte müssen kritikfähig sein – aber selbstbewusst
Führungskräfte mit narzisstischen Persönlichkeitszügen empfinden Kritik immer als persönlichen Angriff – selbst, wenn diese konstruktiv formuliert ist. Sie unterbinden von Vornherein mit übertriebener Härte jeden Widerstand im Team sowie in ihrem sozialen Umfeld. Wer nur tief genug gräbt, entdeckt früher oder später, dass hinter diesem Verhalten ein mangelndes Selbstbewusstsein steckt. Der Idealfall sieht also anders aus. Eine Führungskraft sollte über ein gesundes Selbstwertgefühl verfügen, um selbstbewusst auf Kritik oder sogar eine Beleidigung reagieren zu können. Kritikfähigkeit ist schließlich das A und O zur stetigen Verbesserung und macht Teamarbeit im eigentlichen Sinne überhaupt erst möglich. Präsentieren Sie sich also offen für Kritik, und zwar nicht nur aus höheren hierarchischen Ebenen, sondern auch von Ihren Mitarbeitern, Kunden oder sogar Praktikanten. Aus jeder Kritik können Sie lernen.
Konstruktive Kritik: Auf den Tonfall kommt es an
Jetzt kommt das Aber: Wenn Kritik nicht mehr konstruktiv vorgetragen wird, sondern auf eine persönliche Ebene abrutscht, sollten Sie sich wehren – egal, ob diese prinzipiell begründet oder völlig haltlos ist. Was Sie nämlich einfordern können und sollten, ist eine richtige Formulierung der Kritik. Sowohl im Vieraugengespräch als auch vor versammelter Mannschaft sollten Sie auf eine Beleidigung daher wie folgt reagieren:
1. Bleiben Sie gefasst!
Halten Sie einen Moment inne und atmen Sie tief durch, bevor Sie antworten. So vermeiden Sie eine impulsive Reaktion, welche Sie eventuell hinterher bereuen würden. Nicken Sie, trinken Sie vielleicht einen Schluck Wasser und denken Sie kurz über Ihre Antwort nach. Werden Sie auf keinen Fall emotional. Aggressives oder trotziges Verhalten wirkt unprofessionell. Stellen Sie sich einmal vor, ein CEO würde nach einem Angriff durch die Presse den Journalisten ebenfalls beleidigen, die Konferenz abbrechen oder sogar weinen wie ein kleines Kind. Peinlich, oder? Die Devise lautet daher: Reagieren Sie erst einmal ruhig und gelassen.
2. Stimmen Sie dem Kritiker zu!
Auch, wenn Sie die Kritik als persönliche Beleidigung empfinden, sollten Sie dem Angreifer erst einmal zustimmen. Dadurch beweisen Sie Kritikfähigkeit und nehmen ihm den Wind aus den Segeln. Das bedeutet aber keinesfalls, dass Sie jede frei erfundene Unterstellung bekräftigen müssen. Sagt ein Mitarbeiter also zum Beispiel „Sie sind doch ein frustrierter alter Mann, der neidisch auf mich ist und deshalb bewusst meine Karriere sabotieren möchte“, so antworten Sie natürlich nicht mit „Das stimmt“. Es geht stattdessen um eine andere Form der Zustimmung, mit welcher Sie verdeutlichen, dass Sie Ihr Gegenüber zu verstehen versuchen. Antworten Sie beispielsweise: „Ich verstehe, dass Sie aufgebracht sind und sich unfair behandelt fühlen. Aber…“.
3. Argumentieren Sie logisch nachvollziehbar!
Nach dem „Aber“ folgt nun Ihre Verteidigung. Je besser Sie sich in Ihr Gegenüber hineinversetzen können, umso eher verstehen Sie vielleicht auch die Herkunft seiner verbalen Attacke. Stichwort: Empathie. Zeigen Sie sich bei den begründeten Kritikpunkten einsichtig und schmettern Sie Beleidigungen sowie frei erfundene Anschuldigungen mit logisch nachvollziehbaren Argumenten ab. Auch hierbei sind Ruhe und Gelassenheit der Schlüssel zum Erfolg. Sie wissen ja: Zum Streiten gehören immer zwei – zum Frieden schließen nur einer.
4. Stehen Sie zu Ihrer Unvollkommenheit!
Kein Mensch wird gerne kritisiert und auch Sie gestehen sich gewiss nicht freiwillig Fehler ein. Das ist in Ordnung. Das ist menschlich. Stehen Sie zu dieser menschlichen Unvollkommenheit und beweisen Sie ein wenig Selbstironie. Appellieren Sie aber an den Angreifer, dennoch respektvoll mit Ihnen umzugehen und in Zukunft seine Kritik konstruktiv zu formulieren. Begeben Sie sich auf die „Wir“-Ebene: „Lassen Sie uns das doch unter vier Augen besprechen, wenn sich die Emotionen ein wenig geleget haben“ oder „Ich bin mir sicher, dass wir in diesem Konflikt eine Lösung finden werden“ – das sind geeignete Antworten, um Ihren Kritiker zu beschwichtigen und aus dem Gegeneinander ein Miteinander zu machen.
5. Kontern Sie mit Humor!
Am besten gelingt das mit ein wenig Humor. Wenn Sie es schaffen, den Angreifer zu einem ehrlichen Lachen zu bewegen, entschärfen Sie die Situation in wenigen Sekunden und können anschließend wieder auf einer konstruktiven Ebene miteinander sprechen. Selbstironie macht zudem sympathisch und pflegt Ihr Image. Ziehen Sie sich aber nicht selbst ins Lächerliche, sondern bleiben Sie selbstbewusst sowie bestimmt. Wenn Sie es also schaffen, gelassen zu bleiben und den Angriff mit einem humorvollen Konter abzuschmettern, hinterlassen Sie nicht nur einen professionellen Eindruck, sondern sparen sich selbst viel Nerven, Zeit sowie Energie, indem Sie sich emotional nicht mehr von verbalen Attacken aus der Ruhe bringen lassen.
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