Digitalisierung und Generation Y verlangen einen Paradigmenwechsel von Führung: Weg von Methoden und hin zur Person. Diese neue Art von Führung lässt sich in 6 Schritten umsetzen, die Karriere-Coach Ulla Wiegand erklärt.
Ein Blick auf die heutige Arbeitswelt zeigt: Die Digitalisierung krempelt Märkte um und definiert die Kriterien für Erfolg neu. Schneller und vernetzter, risikofreudiger und selbständiger sind die Parameter der Zukunft. Viele Unternehmer arbeiten heute schon mit Teams virtuell über Zeit- und Raumgrenzen hinweg. Die Folge: alte Führungsprinzipien überleben sich und flache Hierarchien treten an ihre Stelle. Mit dem Wegfall der äußeren Strukturen – Status, Sicherheit, Job auf Lebenszeit – rückt der Einzelne in den Fokus. Die einzelne Persönlichkeit wird zunehmend der stärkste Motor, die wichtigste Ressource und das größte Potential.
Zeitgleich strebt die selbstbewusste Generation Y in den Arbeitsmarkt. Vielfach erzogen und sozialisiert in partnerschaftlicher Augenhöhe, hinterfragt sie Führungsverhalten kritisch. Diese Generation fragt nach der Sinnhaftigkeit und sie erwartet Kommunikation auf Augenhöhe.
Eine neue Art von Führung ist notwendig
All dies verlangt von Führung einen Paradigmenwechsel. Dieser bedeutet nichts weniger als die Abkehr von der Allmacht des Führungsstatus „Ober sticht Unter“ sowie dem unbedingten Glauben an Führungswerkzeuge und Methodenkoffer. Es ist die Verabschiedung einer Subjekt-Objekt-Beziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeiter, die meint, mit dem richtigen Führungs-Werkzeug den Mitarbeiter schon zu Recht biegen zu können. Führung 4.0 beinhaltet die Hinwendung zu einem authentischen Beziehungsmanagement auf Augenhöhe.
Der personzentrierte Ansatz des amerikanischen Psychologen Carl Rogers ist die Ausgangsbasis für das Beziehungsmanagement von heutiger Führung. Für Carl Rogers sind Menschen Beziehungswesen und nur in einer konstruktiven Beziehung kann sich Entwicklung konstituieren. Dies gilt für alle Bereiche, in denen Menschen miteinander zu tun haben. Die Philosophie ist nicht neu, sie entfaltet aber erst jetzt ihre volle Wirkung. Das Adjektiv „personzentriert” sagt es bereits: fokussiert auf die Person, nicht die Methode, konzentriert auf den Mitarbeiter als Subjekt.
Sechs Schritte für erfolgreiche Führung
Rogers hat seinerzeit sechs Bedingungen für eine funktionierende Beziehung formuliert. Übertragen auf Führung bewirken folgende Schritte ein erfolgreiches Beziehungsmanagement seitens der Führungskraft:
1. Im Kontakt sein
Konzentrieren Sie sich im Gespräch voll und ganz auf Ihren Mitarbeiter. Lassen Sie sich nicht durch Telefonate oder Tätigkeiten anderer Mitarbeiter ablenken. Alles Störende wird ausgeblendet. Raum, Zeit und Aufmerksamkeit gehören dem Gesprächspartner.
2. Vorurteilsfrei sein
Der Mitarbeiter muss sein Anliegen in einer respektvollen Atmosphäre äußern können. Er sollte sich nicht fürchten müssen, einen Kopf kürzer gemacht zu werden. Die gute Führungskraft hört zu, unterbricht weder vorschnell mit eigenen Lösungen, noch stülpt sie dem Mitarbeiter die eigene Zielmatrix über. In einem respektvollen Gespräch kann eine gemeinsame Lösung gefunden werden.
3. Verstehen wollen
Hören Sie zu und heraus, was der Mitarbeiter wirklich möchte, warum ihm etwas wichtig ist, was seine eigentliche Motivation, sein wirkliches Anliegen dahinter ist. Erst wenn die Führungskraft den Mitarbeiter verstanden hat und nicht vorschnell aus ihrer eigenen Sicht urteilt, kommt es zu einer wirklich tragfähigen Lösung.
4. Kongruent sein
Sie sind klar mit sich, haben sich reflektiert, Sie wissen was sie wollen und können das auch äußern. Sie müssen sich nicht hinter Statusspielen verstecken. Agieren Sie authentisch und glaubwürdig in Ihrer Funktion und Rolle als Vorgesetzter.
5. Wertfrei kommunizieren
Die Sprache einer Führungskraft sollte wertfrei sein. Beschreiben Sie das Verhalten des Mitarbeiters, ohne den Mitarbeiter als Person zu be- oder entwerten. Beziehen Sie sich immer auf konkrete Beobachtungen des Verhaltens, wenn Sie kommunizieren. Die Körpersprache ist dabei mit den verbalen Äußerungen synchron.
6. Beziehung konstruktiv gestalten
Der Mitarbeiter muss das Verhalten der Führungskraft als konstruktiv wahrnehmen können. Nur so fühlt er sich ernst genommen und auf Augenhöhe behandelt. Dies wird ihn in die Lage versetzen, der Argumentation der Führungskraft zu folgen, selbst wenn diese nicht in ihrem Interesse ist.
Das bietet der neue Führungsansatz
Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Beziehungsmanagement heißt trotz allem zu führen und mitunter unbequeme Entscheidungen zu treffen. Auch die Generation Y will geführt werden. Sie schaut nur genau hin: ist es Führung um der Hierarchie willen oder ist sie echt, funktioniert sie, ist sie glaubwürdig, ist sie verlässlich und wie wird sie kommuniziert? All dies sind wichtige Faktoren, die in einer authentischen Beziehung deutlich werden.
Das Bestechende am personzentrierten Ansatz: er verlangt kein schweres Methoden-Gepäck, sondern bietet auf wirkungsvolle Art und Weise den wichtigen Zugang zu seinem Gegenüber. Dieser Ansatz wird sich, regelmäßig angewendet, nach und nach zu einer Haltung entwickeln, die überall einsetzbar ist, nachhaltig wirkt und eine positive Führungsbeziehung etabliert. Aber auch hier gilt: es gibt diesen personenzentrierten Ansatz nicht zum Nulltarif. Er erfordert von der Führungskraft Eigenreflexion, gute Selbstführung und die Bereitschaft, als Person sichtbar zu werden und sich nicht hinter Führungsstatus und Methodenkoffern zu verstecken.