Wenn Anderssein normal ist: Nehmt uns als wertvolle Mitarbeiter ernst!

Soziale Verantwortung hin oder her, Menschen mit Behinderungen zu beschäftigen, sollte nicht primär als Akt der Mildtätigkeit gelten oder lediglich aufgrund staatlicher Zuschüsse in der Personalpolitik eine Rolle spielen. Unternehmen profitieren vielmehr von ausgeprägten Talenten und Fertigkeiten von Menschen mit körperlichem Handicap. Business-Coach und Karriereberaterin Ilonka Lütjen ist selbst betroffen und setzt sich dafür ein, dass diese Vorteile erkannt werden: Von Unternehmen aber auch Betroffenen selbst.

 

Stellen Sie sich vor, mit welchen Herausforderungen ein Mensch mit Behinderung konfrontiert ist – er hat es geschafft, Lösungen für verschiedenste Probleme zu finden und neue Fertigkeiten zu entwickeln. Und dieses Können hilft nicht nur privat weiter, sondern qualifiziert uns auch als wertvolle Mitarbeiter in diversen Berufen, wie die folgenden Beispiele zeigen.

Sechs Vorteile, die Mitarbeiter mit Behinderungen mitbringen:

Organisationstalent

„Die Menschen mit einem körperlichen Handicap sind so gut organisiert!“ Das war die Aussage des Geschäftsführers eines Weiterbildungsinstituts, für das ich tätig bin. „Natürlich sind wir gut organisiert! Das erleichtert das Leben.“, dachte ich. Jeder Schritt, jede Handlung, die vergessen wird, kann nicht einfach nachgeholt werden. Oft bedeutet diese Handlung Aufwand – an Kraft oder an Zeit. Sich vor dem Handeln erst darüber Gedanken zu machen, ist auch im Berufsleben eine sehr nützliche Eigenschaft.

Krisenmanagement

Auch im Krisenmanagement sind Menschen mit Behinderung geübt. Im Leben mit Handicap gibt es immer wieder Krisen, die kreative Lösungen erfordern. Es kann passieren, dass etwas nicht so funktioniert, wie es geplant war. Aus diesem Umstand folgen die Entwicklung von Kreativität und die Eigenschaft, unkonventionelle Lösungen zu finden.

Kreative Lösungsfindung

Kennen Sie, vielleicht aus Kindertagen, die Geduldsspiele oder Knobelspiele, bei denen es am Anfang ganz schwierig ist, die angestrebte Lösung zu finden? Sobald man die Lösung allerdings kennt, kann man sich gar nicht erklären, warum man diese nicht sofort wahrgenommen hat. So ähnlich geht es uns Menschen mit Behinderung auch gelegentlich. Hier ein Beispiel: Mit einem Kunden war ich zum Essen verabredet. Vor dem Termin habe ich mir Gedanken darüber gemacht, wie ich in das Restaurant gelangen soll, wenn kein Parkplatz in der Nähe frei ist. In dem Fall müsste ich den Rollator nehmen, den ich immer im Wagen dabei habe, denn nur ein Gehstock würde in dem Fall nicht ausreichen. Der Zugang zum Restaurant hat zusätzlich eine Treppe. Die Lösung war ganz einfach – meinen Kunden habe ich zu mir ins Büro eingeladen und ihn gebeten, das Essen mitzubringen. Diese Lösung ist zwar unkonventionell, aber einfach und zweckdienlich. Auch Im Job ist dieses Muster, Lösungen zu finden, von Vorteil.

Effektives Zeitmanagement

Falls Sie in der Vergangenheit an einem Zeitmanagement-Seminar teilgenommen haben, haben Sie auch gelernt, sich immer Zeit für Unvorhergesehenes einzuplanen. Wird die Zeit nicht gebraucht, kann man etwas Entspannendes tun und z. B. Yoga machen. Die Einsicht über diese Notwendigkeit ist oft da, besonders wenn man sich an die Hektik erinnert, die sich gelegentlich kurz vor einer Deadline einstellt. Mit Behinderung allerdings ist dieses Verhalten noch notwendiger. Es ist wichtig, sich Zeit für Unvorhergesehenes einzuplanen, dieses Verhalten überträgt sich auch auf den Job – und bereitet uns so auf alle Eventualitäten vor.

Soziale Verantwortung

Häufig fungieren Mitarbeiter, die es geschafft haben, mit einer Behinderung selbstbewusst umzugehen, auch für Kollegen als Ansprechpartner und Vertrauensperson. In den Augen der Mitarbeiter prädestiniert sie die erbrachte innere Arbeit genau dafür. Menschen mit Handicap erfüllen häufig also auch soziale Aufgaben am Arbeitsplatz.

Positives Image

Sowohl nach innen zu den anderen Mitarbeitern, als auch nach außen zu den Kunden, wirken Unternehmen, die ihre soziale Verantwortung ernst nehmen und umsetzen, ausgesprochen sympathisch. Die Bereitschaft, Menschen mit Handicap einzustellen, zeugt von Toleranz und einer gesunden Firmenkultur – und das spricht Kunden ganz besonders an.

Noch ein paar Worte an Menschen mit Behinderung

Das Leben hat sich verändert und die Herausforderungen auch! Oft stellt sich die Frage: „Was kann ich eigentlich noch?“ Meist fallen uns zuerst die Defizite ein. Auf dem Weg aber, mit den Auswirkungen einer Behinderung umzugehen, haben wir Neues gelernt. Sich das bewusst zu machen und diese erworbenen Fähigkeiten selbstbewusst bei Businessgesprächen einzubringen, gibt dem Gegenüber einen ganz anderen Eindruck, als wenn nur das Leiden herausgestellt wird. Eine realistische Selbsteinschätzung mit den vorhandenen Pros und Contras ist eine Voraussetzung dafür, auch andere von sich zu überzeugen.

 

Service-Info: Es gibt unterschiedliche Wege, mit einem Handicap auf Jobsuche zu gehen. Erfahren Sie hier, wie Sie die Bewerbung meistern.