Kommt ein neuer Manager im Unternehmen an Bord, steht er von der ersten Minute an im Rampenlicht. Von ihm wird erwartet, dass er sich bereits nach kurzer Zeit zurechtfindet und handlungsfähig ist. Ein systematisches Onboarding hilft, den Start möglichst reibungslos und effektiv zu gestalten und mitunter teure Misserfolge bei der Integration ins Unternehmen zu vermeiden.
Die Integration externer Manager lässt sich idealtypisch in drei Phasen gliedern: die Orientierungsphase, die Präzisierungsphase und die Konsolidierungsphase.
Die Orientierungsphase – Der erste Schritt ins Unternehmen
Diese Eingangssituation sollte kurz und intensiv gehalten werden. Denn von Spitzenmanagern wird erwartet, dass sie sich schnell im sozialen und machtpolitischen Milieu des neuen Arbeitgebers zurechtfinden. Erfolgskritische Kontaktpersonen im Unternehmen werden identifiziert und das Handlungs- und Erfahrungswissen des Vorgängers in einer Wissenslandkarte festgehalten – so bekommt der Neuzugang eine Momentaufnahme des Unternehmens. Er sieht die wichtigsten Zusammenhänge, die wesentlichen Stakeholder und bekommt einen „Schaltplan“.
Die Präzisierungsphase – Welcher Führungsstil wird gewählt?
Beim Wissensaufbau anhand der Landkarte setzt die neue Führungskraft Prioritäten in der Einarbeitungsphase und kann die für ihn wichtigsten Fragen angehen.
Diese könnten lauten:
– Was erwartet mein Vorstand in Bezug auf die Mitarbeiter von mir? Motivation und Begeisterung, beispielsweise für Neuerungen?
– Was erwartet die Mitarbeiterschaft in Bezug auf den Vorstand von mir? Schutz vor Überforderung, zusätzliche Ressourcen?
– Was erwarten meine Direktberichtenden in Bezug auf meinen Vorstand von mir? Kollegialität und gute Teamarbeit?
Schnell werden so nicht nur Widersprüchlichkeiten in den Erwartungen deutlich. Der Führungskraft gibt dieses Instrument auch die Möglichkeit, erste Rollendefinitionen vorzunehmen. Hilfreich ist es auch, diese Erkenntnisse dann in einem Journal festzuhalten.
Weitere Aspekte sind etwa die Frage nach dem Vorgänger in der Position: Welches Image hatte er? Bedauern viele seinen Weggang oder herrscht eher Erleichterung vor? Beide Varianten bedeuten für den Nachfolger die Auseinandersetzung mit spezifischen Erwartungen – in welcher Art er auf sie reagieren will, ist ein erfolgskritisches Thema im Onboarding.
Mit Achtsamkeit und Respekt für die vorgefundene Unternehmenskultur, aber trotzdem entschieden und geradlinig muss der Neuzugang in dieser Phase kommunizieren, für was er steht. Diese Abgrenzungsnotwendigkeit wird häufig nicht angemessen erkannt. Denn gerade Manager der oberen Ebenen werden von außen akquiriert, weil sie neue Elemente ins Unternehmen bringen. Es geht also nicht um „Mehr von dem Gleichen“ oder nur die fachliche Expertise. Ganz im Gegensatz zu Mitarbeitern niedrigerer Ebenen, bei denen das Hauptinteresse des Unternehmens an einem Zuwachs von fachlicher Expertise und unhinterfragten Anpassung des Neuen liegt.
In der Präzisierungsphase prüfen Manager außerdem die zuvor erarbeitete Wissenslandkarte auf Chancen der Veränderung und der Adaptation. Einfügen, Abgrenzen und Verändern sind die Aufgaben, denen sich dem Neuling stellen muss. Obgleich gerade dies – das Anderssein – im Sinne der Rekrutierung von Extern ist, wird der Neueinsteiger mit dem erheblichen Beharrungsvermögen des Umfeldes konfrontiert: „Erste Wunden sind zu lecken“. Dies kann aber nicht vordringlicher Inhalt des Onboardings sein, sondern die Frage, welches Wunsch- bzw. Soll-Image sich die Führungskraft im Unternehmen verschaffen will. Wie und mit welcher Prägnanz die neue Person von seinem Umfeld wahrgenommen wird, hat einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die zukünftige Durchsetzung seiner inhaltlichen Belange.
Das Hinzukommen eines Fremden hat das bestehende, möglicherweise fragile Beziehungsgeflecht verunsichert. Befürchtet wird unter Umständen von anderen Führungskräften oder Mitarbeitern, dass durch einen durchsetzungsbereiten Neuzugang erarbeitete Machtpositionen in Frage gestellt werden. Andere wiederum erhoffen sich eine Stärkung ihrer Position. Potenzielle Verlierer und Profiteure dieser Dynamik sollten klar identifiziert werden.
Die Konsolidierungsphase – Im Unternehmen ankommen
Im Idealfall ist es der Führungskraft nun gelungen, eine unverwechselbare „Marke“ seiner selbst etabliert zu haben. Die wesentlichen Personen und Interessengruppen seines Umfeldes wissen, was sie von ihm zu erwarten haben. Der „Neuling“ hat in den unterschiedlichen Konflikten der vorangegangenen Onboarding-Phase Standing bewiesen. Er identifiziert sich zunehmend mit dem neuen Arbeitgeber: Er ist jetzt „im Spiel“ und kennt die meisten Spielregeln. Wie zügig der Unternehmensneuling diese Phase erreicht, ist von seiner Persönlichkeit und seiner beruflichen Historie abhängig – aber nicht nur. Die Akteure verschiedener Geschäftsbereiche in Unternehmen haben unterschiedliche Chancen, auf sich aufmerksam zu machen und im Gespräch zu sein. Deshalb ist hier in der Regel noch immer Kommunikation und Vernetzung im Unternehmen ein akutes Thema. Über Erfolg und Misserfolg von Topmanagern entscheidet oft genug der Aufbau und die Pflege stabiler Beziehungsnetze: Wen wünsche ich mir bzw. brauche ich als Koalitionspartner? Wer kann mir nützen, aber auch: Wem kann ich nützlich sein mit Informationen und mit Einbezug in Entscheidungsprozesse?
Durch die Arbeit mit Materialien wie Organigrammen, Diagrammen zu Wertschöpfungsströmen und Soziogrammen, mit denen die neue Führungsperson sein subjektives Erleben der Interaktionen abbildet, können Positionen und Personen identifiziert werden, die erfolgskritisch sind. Erfolgskritisch sind sie möglicherweise aufgrund struktureller Gegebenheiten oder aber aufgrund ihrer Bedeutsamkeit im Unternehmen (z. B. „graue Eminenzen“).
Die Führungskraft befasst sich weiterhin mit dem Thema, wie Rituale zu schaffen sind, die dem Umfeld Beständigkeit, Glaubwürdigkeit, Führungsstärke, aber auch menschliche Zugänglichkeit signalisieren. Rituale im Unternehmen stellen standardisierte Kommunikations-und Interaktionsplattformen dar, die für alle Teilnehmenden hohe Attraktivität besitzen müssen, denn sie sollen nicht zu ermüdender Zusatzbelastung verkommen. Die Herausforderung an dieser Stelle ist es, Leerstellen in der Unternehmenskultur zu finden, die sinnvollen Ritualen Platz bieten: zum Beispiel regelmäßige Informationsrunden, das Feiern von Erfolgen oder informelle Kamingespräche.
Am Ende der Onboarding-Phase steht eine Evaluierung an – mit dem begleitenden Coach und je nach Unternehmenskultur zuzüglich des Vorgesetzten oder der Personalverantwortlichen.
Unterstützung beim Onboarding-Prozess
Jede der drei Phasen sollte möglichst strukturiert gestaltet werden. Ein Coach kann dabei als neutraler Begleiter den gesamten Prozess unterstützen. Auf welche Punkte dabei besonders zu achten ist, zeigen diese drei Fragen und Antworten:
Muss der Coach Unternehmenskenntnis, bzw. Kenntnisse der Geschäftsbereiche besitzen?
Nicht unbedingt. Branchenkenntnisse sind von Nutzen, sie erhöhen in jedem Fall die Akzeptanz durch den Coachee. Allerdings muss der Coach zwingend Feldkenntnis für die Leitungsebene des Klienten mitbringen. Die Sichtbarkeit der beschriebenen Manager erlaubt kaum Fehler. Unbedachte Äußerungen etwa haben viel weitreichendere Konsequenzen als in anderen Mitarbeiterebenen. Der Coach muss die Freiräume, aber auch Fallstricke und Fettnäpfchen der Hierarchie-Ebene des Klienten kennen.
Warum muss es jetzt Onboarding sein, früher hat die Integration von neuen Führungskräften doch auch funktioniert?
Für Unternehmen haben Onboarding-Prozesse in der heutigen Zeit einen unbestreitbaren Nutzen, denn sie verkürzen die Zeit der Einarbeitung und erhöhen den Erfolg des Einstiegs ganz erheblich. Zum einen macht es die vielbeklagte Geschwindigkeit aller Geschäftsprozesse notwendig, Leistungspotenziale schnell zur Verfügung zu haben. Zum anderen sind die Verweildauern von Managern in ihren Positionen in vielen Branchen deutlich verkürzt:
Sie werden bei Bedarf zur Krisenintervention schnell versetzt und starten in ihrem beruflichen Leben viele Male neu durch.
„Unternehmensnomaden“, Manager also mit wechselnden und auch internationalen Einsatzorten, die durch frühere Onboarding-Prozesse grundlegende Strategien und Vorgehensweisen zur Einarbeitung kennen gelernt haben, sind bei ihren Einsätzen mit solidem Rüstzeug ausgestattet. Sie haben bereits „Integrationskompetenz“ erworben.
Ist ein Mentor in diesem Fall nicht wesentlich nutzbringender als ein Coach?
Unter einem Mentor versteht man eine hierarchisch gleich ggf. auch noch höher gestellte, in jedem Fall aber „altgediente“ Führungskraft aus einem anderen Unternehmensbereich. Wichtig ist, dass es keine (potenziellen) Abhängigkeiten von Mentor und Mentee gibt. Der Mentor gibt Hinweise, wie etwa bestimmte Situationen im Unternehmen zu deuten sind, verweist an Ansprechpartner, gibt Anregungen und kann nicht zuletzt durch seine Kenntnis der Unternehmensgeschichte für den Neuling vieles erklärbar und verstehbar machen. Er unterstützt damit maßgeblich die Identifikation mit dem Unternehmen. Der Coach leistet dagegen neutrale Unterstützung: neutral in der Fragestellung und in den Deutungs- und Erklärungsansätzen. Eine Kombination von Mentor und Coach kann ebenso sinnvoll sein, wie nur eines der Angebote zu wählen – je nach Situation.