Oft stellen Unternehmen, wenn sie neue Mitarbeiter einstellen, nach einiger Zeit fest: Der Neue war ein Fehlgriff. Also trennen sich die Wege wieder. Die häufigste Ursache hierfür: Die Personalauswahlgespräche wurden nicht gut vorbereitet und geführt. Was Personaler und Entscheider tun können, um Fehleinschätzungen bei der Mitarbeiterwahl zu vermeiden.
Unternehmen entstehen hohe Kosten, wenn sich der neue Inhaber einer Schlüsselposition als Flop erweist und sich deshalb der gemeinsame Weg schon nach wenigen Wochen oder Monaten wieder trennt. Denn dann waren alle Ausgaben für die Personalsuche und -auswahl Fehlinvestitionen. Noch schwerer wiegen jedoch meist die Chaoskosten genannten Folgekosten. Denn ist eine Schlüsselposition längere Zeit unbesetzt oder wird sie unangemessen wahrgenommen, dann werden oft auch Entscheidungen zu spät getroffen und umgesetzt. Neun Tipps, wie Sie solche kostspieligen Pannen bei der Personalauswahl vermeiden.
Tipp 1: Nicht nur die fachliche Kompetenz checken
Unternehmen achten bei der Auswahl neuer Mitarbeiter oft fast ausschließlich auf deren fachliche Qualifikation. Denn diese lässt sich anhand der (Arbeits-)Zeugnisse und der Herausforderungen, die der Kandidat bisher bewältigte, recht leicht bewerten. Anders ist dies bei Faktoren wie:
– Findet der Bewerber einen Draht zu den Kunden und Mitarbeiter des Unternehmens?
– Kann er Menschen begeistern?
– Hat er ein „Gespür“ für die Notwendigkeiten in der Organisation?
Dies zu ermitteln, erfordert Zeit und Energie. Doch die Mühe lohnt sich, denkt man an die Kosten und Folgeprobleme einer Fehlbesetzung.
Investieren Sie als Personalverantwortlicher ausreichend Zeit in die Personalauswahl. Dieser Prozess beginnt beim Formulieren der Anforderungen an den „Neuen“. Sagen Sie zum Beispiel nicht einfach: „Ist doch klar, was ein Vertriebsleiter können muss.“ Überlegen Sie: Was muss der Vertriebsleiter in unserem Betrieb konkret leisten?
Tipp 2: Ein genaues Anforderungsprofil erstellen
Fragen Sie auch den bisherigen Stelleninhaber oder seine Vorgesetzen und Mitarbeiter, welche Anforderungen der „Neue“ genau erfüllen muss. So lassen sich Herausforderungen bestimmen, die für die vakante Position typisch sind. Ein Beispiel: Die Arbeitssituation ist meist durch einen hohen Zeitdruck geprägt. Dann kann eine Anforderung lauten: „Der künftige Stelleninhaber gerät auch bei Zeitdruck nicht in Hektik und arbeitet zielorientiert.“
Fragen Sie sich auch: Wodurch unterscheidet sich der ideale Stelleninhaber vom Kandidaten, den Sie keinesfalls einstellen möchten? Delegiert der Wunschkandidat zum Beispiel viele Aufgaben, während der andere das meiste selbst erledigt? Hat die „Traumbesetzung“ Spaß am Kundenkontakt, während sich ihr Pendant vor Kundengesprächen drückt?
So können Sie die sozialen, kommunikativen und persönlichen Eigenschaften ermitteln, die der „Neue“ braucht. Hilfreich ist es im Auswahlprozess oft, die eigenen, subjektiven Einschätzungen durch einen Persönlichkeitstest abzusichern. Dann steht die Personalentscheidung auf einem solideren Fundament.
Berücksichtigen Sie beim Formulieren des Anforderungsprofils auch die künftigen Anforderungen. Denn Ihr Unternehmen will sich ja entwickeln. Und der neue Mitarbeiter? Er soll vermutlich auch in fünf oder zehn Jahren noch ein Top-Mitarbeiter sein.
Tipp 3: Einen Interviewleitfaden erstellen
Leiten Sie aus dem Anforderungsprofil einen Interviewleitfaden ab. Benutzen Sie ihn in allen Auswahlgesprächen. Ein solches Strukturieren der Gespräche stellt sicher, dass Sie am Schluss die Bewerberprofile gut vergleichen können – weil alle Bewerber dieselben Kernfragen beantwortet haben. Außerdem tappen Sie seltener in die Falle, dass ein Bewerber faktisch das Gespräch führt und Sie danach feststellen: „Verflucht, das habe ich nicht gefragt.“
Tipp 4: Den Bewerbern praxisrelevante Aufgaben stellen
Stellen Sie den Bewerbern zudem Aufgaben, die für die vakante Position typisch sind. Zum Beispiel: „Stellen Sie sich vor, nächste Woche ist eine Präsentation bei einem potenziellen Neukunden. Der wichtigste Entscheider ist aber laut Einladung nicht dabei. Was würden Sie tun?“ Durch solche Fragen erfahren Sie, wie die Bewerber solche typischen Problemstellungen lösen würden.
Stellen Sie den Bewerbern auch Aufgaben, vor denen das Unternehmen aktuell steht. Zum Beispiel: „Wir möchten ein neues CRM-System einführen. Wie würden Sie das angehen?“ Alternativ können Sie den Bewerber mit einem künftigen Kollegen über die beste Lösung diskutieren lassen und sich anschließend fragen:
– Welche neuen Erkenntnisse gewann ich im Gespräch?
– Wie ging der Bewerber mit anderen Meinungen um?
– Welche Schlüsse zog er aus neuen Informationen?
So wird schnell klar, ob der Bewerber der Richtige ist.
Tipp 5: Die Gesprächsführung üben
Untrainierte Führungskräfte erzählen in Personalauswahlgesprächen oft mehr über sich und ihr Unternehmen, als dass sie fragen. Außerdem stellen sie den Bewerbern zu viele geschlossene Fragen, die diese mit „ja“ oder „nein“ beantworten können, so dass sie wenig Infos erhalten. Deshalb sollten ungeübte Interviewer vorher die richtige Gesprächsführung trainieren.
Tipp 6: Kollegen zum Gespräch hinzuziehen
So vorbereitet kann im Auswahlgespräch wenig schief gehen. Einige Dinge sollten Sie jedoch noch beachten: Ziehen Sie zu den Gesprächen mindestens einen Kollegen hinzu. Dann kann die Person, die gerade nicht das Gespräch führt, auf die nonverbalen Aussagen des Bewerbers achten, die oft aussagekräftiger als die verbalen sind, und Stichworte notieren, denn nach dem fünften Interview weiß sonst niemand mehr, was der erste Bewerber sagte.
Tipp 7: Wertschätzung zeigen
Behandeln Sie jeden Bewerber wie einen Gast und nicht wie einen Bittsteller und äußern sich auch mal lobend zum Beispiel über seine Biografie. Nehmen Sie sich zudem Zeit für das Gespräch. Denn nur, wenn der Bewerber Ihnen Vertrauen schenkt, öffnet er sich und offenbart Ihnen seine wahren Motive – zum Beispiel für einen Jobwechsel.
Tipp 8: Die Gespräche nachbereiten
Ergänzen Sie nach jedem Gespräch Ihre Notizen und bereiten Sie diese so auf, dass Sie die Bewerberprofile gut mit dem Anforderungsprofil vergleichen können. Erstellen Sie, bevor Sie die Personalentscheidung treffen, ein Ranking der besten Bewerber. Dann haben Sie Alternativen parat, wenn Ihr Wunschkandidat absagt.
Tipp 9: Auch auf das Bauchgefühl hören
Sprechen Sie beim Erstellen des Rankings mit Ihren Kollegen auch darüber, warum Sie beim Bewerber A, obwohl er formal alle Kriterien erfüllt, ein „eher schlechtes Gefühl“ haben; außerdem beim Bewerber B den Eindruck, er könne der bessere Mitarbeiter sein, obwohl er einzelne Anforderungen nicht ganz erfüllt. Oder vergleichen Sie Ihre Eindrücke mit den Ergebnissen der Persönlichkeitstests, sofern Sie solche mit den Bewerbern durchführten. Denn selbst mit der besten Vorbereitung und Gesprächsführung erzielen Sie bei Auswahlgesprächen nie absolut objektive Ergebnisse, denn in ihnen versucht sich jeder Bewerber, möglichst positiv zu verkaufen.
Auswahlgespräche bilden zudem nie den Arbeitsalltag ab. Deshalb sollten Sie auch auf Ihren Bauch hören, wenn er Ihnen sagt: „Dieser Bewerber ist es nicht“ – jedoch nie ohne sich zuvor zu fragen: Warum sträuben sich mir bei ihm die Nackenhaare? Sonst ist die Gefahr groß, dass Sie die primär nach Sympathie entscheiden. Das führt zu den meisten Fehlbesetzungen.