Die Generation Y ist anders als alle Generationen vor ihr. Ihre zehn typischen Eigenschaften stellen viele Führungskräfte vor besondere Herausforderungen, generationenspezifische Konflikte sind vorprogrammiert. Coach und Buchautor Prof. Dr. Nils Schulenburg gibt Tipps, wie die Führung dennoch gelingt.
Im Berufsleben treffen Generation Y auf Generation X und Babyboomer. Daraus ergibt sich ein Spannungsfeld, das oft Nährboden für Führungskonflikte ist. In meinen Coachings erlebe ich häufig diese Konstellation: Die Führungskraft ist kein Mitglied der Generation Y, der Mitarbeiter schon. Der Führungskraft fällt es schwer, einen Zugang zum Mitarbeiter der Generation Y zu finden um bestehende Konflikte in den Griff zu bekommen.
Insbesondere in populären Medien werden der Generation Y immer wieder Eigenschaften zugeschrieben, die aus wissenschaftlicher Sicht kaum haltbar sind: Sie sei faul, verwöhnt, illoyal und respektlos. Tatsächlich ist es äußerst schwierig, gemeinsame Eigenschaften einer ganzen Generation zu bestimmen, weswegen so mancher Forscher die Generationendebatte für Augenwischerei hält. Ich habe mich dennoch auf den Weg gemacht, diese Eigenschaften zu identifizieren und konnte zehn typische Merkmale bestimmen. Diese führen zu Konflikten, wenn sie auf entsprechende demotivierende Umstände im Unternehmen treffen:
1. Eine hohe Informationalisierung des Mitarbeiters trifft auf schlechten Informationsfluss im Unternehmen.
2. Eine starke Leistungsorientierung passt nicht zu eintöniger Arbeit.
3. Ein hohes Ausbildungsniveau ist schlecht mit anspruchslosen Aufgaben vereinbar.
4. Eine starke Gemeinschaftsorientierung lässt sich nicht mit einem Berufsbild vereinbaren, das eine soziale Isolation mit sich bringt.
5. Ein hohes Maß an Flexibilität trifft auf starre Abläufe und Bürokratie im Betrieb.
6. Eine geringe Machtdistanz passt nicht zu einem autoritären Führungsstil.
7. Ein starkes Selbstbewusstsein sollte nicht auf Karrierevermeidung und Perspektivbeschränkungen treffen.
8. Eine hohe Freiheitsorientierung des Mitarbeiters passt nicht gut zu festen Arbeitszeiten oder festen Arbeitsorten.
9. Bringen Mitarbeiter eine starke Skepsis mit, führen Totschlagargumente zu Konflikten.
10. Trifft eine ausgeprägte Globalität auf mentale Grenzen und Engstirnigkeit, sind auch hier Probleme vorprogrammiert.
Natürlich kann es nicht das Ziel sein, alle Anforderungen der Generation Y zu erfüllen. Ökonomische Imperative und die Anforderungen der anderen Generationen im Unternehmen sind ebenfalls entscheidend. Aber die Kenntnis individueller und generationentypischer Konfliktursachen trägt dazu bei, die Interessen von Unternehmen, Führungskräften und Mitarbeitern zusammenführen und so der Gefahr von Generationenkonflikten und deren Wertvernichtungspotenzial entgegenzutreten.
Würdigung des Individuums statt Stereotypisierung
Wichtig bei der Betrachtung dieser Eigenschaften ist, dass bei weitem nicht jedes Mitglied der Generation Y alle diese Merkmale aufweist. Einige teilen mehr, andere weniger typische Eigenschaften. Daher ist es im Rahmen von Führung essenziell, die Betrachtung des Individuums einer Stereotypisierung vorzuziehen: Jeder Konflikt ist einzeln zu betrachten, denn er ist so individuell wie die beteiligten Personen. Zunächst sollte es einer Führungskraft darum gehen, die wirklichen Eigenschaften ihrer Mitarbeiter zu bestimmen.
Die Diskussion um die Generation Y kann hierbei helfen, kann aber auch zu Vorurteilen gegenüber einzelner ihrer Mitglieder führen. Eine Führungskraft sollte sich daher immer auch die Frage stellen, welche tief verwurzelten Vorurteile sie gegenüber der Generation Y in sich trägt und ob sie das Ziel verfolgt, diese Vorurteile zu bestätigen oder zu widerlegen.
Konfliktlösung: Wertfreie Bestimmung von Eigenschaften
Bei der Erarbeitung einer Konfliktlösung geht es in erster Linie darum, die Eigenschaften der Konfliktbeteiligten aufzudecken, die zu dem Konflikt führen. Weil die Führungskraft persönlich involviert ist, wird sie unbewusst dazu neigen, die Ursache für den Konflikt bei ihrem Mitarbeiter zu suchen. Derart voreingenommen wird eine wertfreie Bestimmung von Eigenschaften des Mitarbeiters kaum gelingen.
Hier ist der Einsatz eines Wertequadrates hilfreich: Die Führungskraft startet mit einer wahrscheinlich eher negativ behafteten Eigenschaft des Mitarbeiters, beispielsweise „illoyal“, und versucht eine neutrale oder positive Entsprechung zu finden, in diesem Beispiel wäre das passende Pendant „flexibel“. Dieser stellt sie ihre eigene Eigenschaft gegenüber, zum Beispiel „strukturiert“, und versucht dazu eine Entsprechung mit entgegengesetzter Konnotation zu finden, z. B. „starr“. Das Wertequadrat wird so angeordnet, dass sich sowohl die neutralen oder positiv belegten Begriffe gegenüberstehen (flexibel – strukturiert) als auch die negativen (illoyal – starr). Dabei sollten möglichst viele für die Zusammenarbeit von Führungskraft und Mitarbeiter relevante Wertequadrate bestimmt werden.
Gemeinsamkeiten und Gegensätze bestimmen
Die ermittelten Wertquadrate müssen nicht zwingend gegensätzliche Eigenschaften von Führungskraft und Mitarbeiter offenbaren. Sie können komplementäre, indifferente und konfliktäre Konstellationen aufzeigen. Gemeinsamkeiten zu finden ist dabei ebenso wichtig: In Führungskonflikten wird oft nur das betrachtet, was Führungskraft und Mitarbeiter voneinander trennt. Wenn darüber hinaus deutlich wird, was beide eint, können gegensätzliche Eigenschaften und Absichten leichter überwunden werden. Gleichzeitig wird so ein differenziertes Bild der Persönlichkeit von Führungskraft und Mitarbeiter gezeichnet, das dabei hilft, stereotype Generationenbilder aufzulösen.