Sie verstehen mich nicht! – Grund Nr. 1 für Missverständnisse und Konflikte

Wann haben Sie sich zuletzt missverstanden gefühlt? Oder mit jemandem über ein Thema gesprochen, unter dem Sie beide zwei verschiedene Dinge verstanden? Solche Situationen münden nicht selten in Konflikten. Doch soweit muss es nicht kommen! Erfahren Sie, wie Sie Konflikte in Zukunft entlarven, bevor sie entstehen.

Verspätung! Das konnte ich jetzt nicht gebrauchen. Ich hatte gerade zwei Wochen Surfurlaub hinter mir. Am Flughafen eines spanischen Vororts blickte ich auf die Anzeigetafel: Zwanzig Minuten Verspätung!

Eigentlich kein Drama, dachte ich mir. Doch mein Bauchgefühl erinnerte mich daran, dass lange Nächte am Flughafen genau so begonnen hatten. In Gedanken bangte ich um meinen Anschlussflug von Barcelona nach Hamburg.

Mit gebrochenem Spanisch versuchte ich am Schalter herauszufinden, weshalb der Flieger verspätet war und wie die Chancen um meinen Anschluss standen. Doch die Dame am Schalter verstand nur Bahnhof. Sie lächelte mich an und bat mich mehrfach, mein Anliegen zu wiederholen.

Als Kommunikations-Trainer amüsierte mich diese Situation. Ich nahm sie an die Hand und ging mit ihr zur Anzeigetafel. Mit meinem Finger zeigte ich auf die 20 Minuten und anschließend auf mein Anschlussticket. Plötzlich lachte sie auf und gab mir zu verstehen, ich solle mir keine Sorgen machen. Zwanzig Minuten seien doch keine Verspätung!

Sie sind auf einer Insel – Kommunikation in zwei verschiedenen Welten

Haben Sie ähnliche Situationen erlebt? Sie versuchten, jemanden auf etwas hinzuweisen oder ihm etwas zu verdeutlichen, doch sie scheinen aneinander vorbeizureden? Damit sind Sie nicht alleine!

In meinen Coachings und Trainings berichten mir Teilnehmer von ähnlichen Geschichten. Ihre Frage: Wie kann es sein, dass sich ein harmloses Gespräch in wenigen Sätzen zu einem großen Missverständnis oder sogar zum ausgewachsenen Konflikt entwickelt?

Jeder von uns ist auf einer Insel! Stellen Sie sich vor, Sie sind auf einem Stück Land und viel Wasser trennt Sie von der nächsten Insel, die zum Beispiel ihr Kollege bewohnt. Ihre Insel ist so alt wie sie selbst. Im Laufe Ihres Lebens haben Sie hier allerhand Wissen darüber angesammelt, wie Sie die Welt sehen. Entwickelt hat diese Metapher die wunderbare Vera Birkenbihl. Sie nennt sie auch das Insel-Modell.

Auf meiner Insel ist Pünktlichkeit zum Beispiel sehr wichtig und eine Frage von wenigen Minuten. Die Flughafen-Angestellte hatte hingegen eine ganz andere Auffassung davon. Für sie fing echte Verspätung scheinbar erst viel später an.

So entsteht Ihre Insel – entdecken Sie Ihre Denkmuster

Wie formen sich diese Inseln eigentlich? Der Entwicklungsprozess ist für jeden anders und dauert ein ganzes Leben lang an.

Jeden Tag fließen vielfältige Informationen in Ihr Weltbild ein, die sie zum Teil bewusst, zum größten Teil jedoch unbewusst aufnehmen und verarbeiten. Dazu gehören breite Faktoren wie Ihr kulturelles und gesellschaftliches Umfeld, Ihre Bildung oder Ihre Erziehung. Schon sehr früh in Ihrem Leben sind Sie in der Schule oder in der Familie mit klaren Werten in Berührung gekommen: Höflichkeit, Ehrlichkeit oder wie bei mir zum Beispiel die Pünktlichkeit.

Manches davon übernehmen wir, anderes verwerfen wir mit der Zeit oder ersetzen es durch bessere Alternativen. Denn neben Bildung und Erziehung wirken auch unsere Erlebnisse und subjektiven Erfahrungen auf das Bild ein, wie wir den Rest der Welt von unserer Insel aus sehen.

In meiner Arbeit bin ich jede Woche quer durch Deutschland unterwegs. Würden Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit nicht zu meinen Werten gehören, käme das bei meinen Kunden gewiss nicht gut an. Gleichzeitig mache ich auf meinen Reisen viele Erfahrungen mit öffentlichen Verkehrsmitteln.

Als sich am Flughafen der spanischen Kleinstadt mein Bauch verkrampfte, war das ein Zeichen dafür, dass mein Unterbewusstsein ein Muster erkannt hatte: „Vorsicht! Als ich das letzte Mal so eine kleine Verspätung erlebt habe, musste ich schließlich am Flughafen übernachten.“

Überzeugungen – Ihre Insel bestimmt, was möglich ist

Solche Warnungen wie die meines Bauchgefühls sind eine Möglichkeit, wie sich unser Inselwissen bemerkbar machen kann. Noch stärker sind jedoch die Überzeugungen, die auf unserer Insel herrschen. In diesem Zusammenhang sprechen manche Kollegen auch von Glaubenssätzen. Das sind im Grunde Individuelle Überzeugungen eines Menschen über die Welt und das Leben. Auf jeder Insel sind sie anders, denn sie nähren sich aus anderen Werten und Erfahrungen und vermitteln unserem Bewusstsein, was möglich ist und was nicht.

Lassen Sie uns als Beispiel die Überzeugung nehmen: Surfen ist leicht. Auch ich habe klein angefangen und lange gebraucht, bis ich auf dem Brett stand. Doch seitdem habe ich so viele Erfahrungen gemacht, in denen ich von alleine in den Flow kam, dass Surfen mir heute leicht fällt und jede Menge Spaß macht. Ich kann mir kaum vorstellen, dass jemand das anders empfindet.

Unterhalte ich mich nun mit dieser Überzeugung mit jemandem, der andere Erfahrungen gemacht hat, ist der Konflikt vorprogrammiert. Vielleicht hatte er einen schlechten Lehrer oder ungünstige Rahmenbedingungen zum Lernen, sodass seine Erfahrungen ganz anders sind. Auf Anhieb wird er mir widersprechen, weil meine Schilderungen so gar nicht zu dem passen, was auf seiner Insel bekannt ist.

Sie merken: Missverständnis und Konflikt sind vorprogrammiert. In diesen Situationen unternehmen Sie am besten eine Bootsfahrt.

Die Lösung: Besuchen Sie fremde Inseln!

Die oben skizzierte Entwicklung ist Grundlage für viele Konflikte und Meinungsverschiedenheiten. Die meisten können Sie leicht auflösen, indem Sie sich erst bewusst machen, dass Sie von Ihrer Insel beurteilen und Ihre Sicht eingeschränkt ist. Haben Sie das erkannt, können Sie mit Neugier auch andere Inseln entdecken.

Die Effekte solcher Ausflüge sind bereichernd, denn Sie finden in Konflikten schnell zu einer konstruktiven Lösung und erweitern dabei noch Ihren Horizont. Ich freue mich auf Ihren Reisebericht!