Alle Führungskräfte haben eines gemeinsam: Sie werden an Resultaten gemessen, die sie selbst nicht erarbeiten. Es sind die Mitarbeiter, das Team, die letztlich die PS auf die Straße bringen – oder eben nicht. Aber was ist das Patentrezept für Führungskräfte, um mit weniger Aufwand mehr zu erreichen?
Gibt es eine ideale Anleitung zum Führen? So einfach ist es leider nicht: Das Patentrezept ist eben genau kein Patentrezept! Mit den Wertesystemen der 9-Levels wird das verständlich.
Peter E. ist Abteilungsleiter bei einem IT-Dienstleister und verantwortlich für das Servicemanagement. Seine 15 Mitarbeiter betreuen alle Kundenanfragen. Die Fülle ist so groß, da bleibt schon mal das eine oder andere Ticket liegen. In Summe einfach zu viele. Um die schweren Fälle kümmert sich Peter E. selbst. Mit dem Gefühl der starken Überlastung kam er in unsere erste Coaching-Sitzung. „Ich muss mich einfach um zu vieles selber kümmern“, beschwerte er sich. „Und das Management sieht einfach nicht, dass wir zu wenige Mitarbeiter“ haben. Kennen Sie solche oder ähnliche Probleme?
Was haben solche Themenstellungen mit Werten zu tun? Was sind überhaupt Werte?
Wir alle haben bestimmte Werte, die unser Denken und Handeln bestimmen, ohne, dass wir uns dessen bewusst sind. Werte sagen uns, ob etwas gut oder schlecht ist, ob wir etwas akzeptieren oder ablehnen, was uns antreibt und was uns Energie raubt. Jeder Mensch hat nicht nur ganz individuelle Werte, sondern auch unterschiedliche Rangfolgen der einzelnen Werte.
Jetzt kommen die Wertesysteme der 9-Levels ins Spiel: Sie basieren auf den Forschungen des Psychologieprofessors Clair W. Graves und unterteilen sich in 9 Ebenen – sog. Levels – auf denen sich der Mensch von seiner Geburt an immer weiter auf den nächst höheren Level bewegt, auf dem bestimmte Wertevorstellungen vorherrschen, die das Denken, Fühlen und Handeln auf dieser Ebene prägen. Graves hatte herausgefunden, dass es für den Menschen im Laufe seiner Entwicklung abwechselnd wichtig ist, dass es ihm in seiner Gruppe bzw. der Organisation, in der er sozialisiert ist, gut geht und auf der nächsten Ebene sich dann wieder selbst am nächsten steht.
Jedes Level ist geprägt von charakteristischen Werten:
Purpur – Sicherheit & Zugehörigkeit
Rot – Macht & Unabhängigkeit
Blau – Strukturen & Zuständigkeiten
Orange – Erfolg & Wohlstand
Grün – Begegnungen & Beziehungen
Gelb – Wissen, Netzwerke & Multiperspektivität
Türkis – Nachhaltigkeit & Wohlergehen der Welt
Jeder Ebene lässt sich ein passender und somit gesunder Umgang mit Mitarbeitern zuordnen. Dieses Wissen kann im Coaching genutzt werden.
Für Führungskräfte ist es sehr hilfreich zu erfahren, auf welcher Ebene er selbst stark ausgeprägt ist. Darüber hinaus ist das Verständnis, dass Mitarbeiter bzw. Teammitglieder ein völlig anderes Werteverständnis haben könnten, wichtig. Dadurch wird klar, was die passendste Art und Weise ist, um als Führungskraft am wirkungsvollsten mit den Mitarbeitern zu sein.
In einem 20 minütigen Online-Test wird herausgefunden, dass die Führungskraft oftmals sehr stark auf dem grünen Level ausgeprägt ist. Das ist der Stand seiner Entwicklung und das ist weder gut noch schlecht. Durch Reflexion des Verhaltens von neuralgischen Mitarbeitern kann schon abgeleitet werden, auf welcher Ebene der Mitarbeiter gegebenenfalls geprägt ist. Um ganz sicher zu sein, wäre eine Onlineauswertung mit dem Mitarbeiter von Vorteil.
Die könnte beispielsweise eine blaue Ausprägung ergeben, was häufig bei langjährigen Mitarbeitern von Behörden und Ämtern zu finden ist. So eine Person braucht Strukturen und muss in diesen eine konkrete Zuständigkeit haben. Mit diesem Wissen ließ sich Peter E. auf das Experiment ein, seinen Mitarbeiter sehr eng zu führen, was überhaupt nicht seine Art ist. Da er relativ neu in der Rolle des Gruppenleiters war, hielt Peter E. täglich einen Jour fixe mit den langjährigen Mitarbeitern ab und stellte überrascht fest, dass diese anfingen, dies wertzuschätzen anstatt als nervig zu empfinden.
Mitarbeiter auf der blauen Ebene…
– akzeptieren den Vorgesetzten prinzipiell aufgrund seiner Position und der hierarchischen Ebene.
– erwarten Anerkennung ihrer Leistung durch Auszeichnung (Scheine, Zertifikate und Urkunden).
– wollen klar geregelte und abgesteckte Kompetenzbereiche.
Sie erwarten von der Führungskraft, dass sie…
– das Unternehmen repräsentiert.
– einen autoritäreren und entsprechend direkter Führungsstil.
– Aufgaben strukturiert und Regeln definiert.
Nicht angemessen auf dieser Ebene ist ein kooperativer Führungsstil und Diskussionen, welche als Schwäche der Führungskraft interpretiert wird.
Mit seinem grünen Selbstverständnis hatte Peter E. auch eine grüne Führung bei seinen Mitarbeitern angewandt, charakterisiert durch einen partizipativen Führungsstil durch aktive Steuerung der Gruppenprozesse, aber ohne zu bevormunden.
Als Peter E. in die Welt seiner Mitarbeiter schlüpfte und ihre Werte ansprach, war die Welt für diese wieder in Ordnung. Die Motivation stieg. Das war zu erkennen, weil sich schon nach kurzer Zeit die erwarteten Arbeitsergebnisse einstellten. Mit dem Effekt, dass Peter E. nur die 15 Minuten mehr für den täglichen Jour fixe aufwenden musste. Die eigentlichen Probleme wurden im Team verstärkt selbst gelöst.
Die typischen Leadership-Typen im Modell der 9-Levels sind:
Purpur: Patriarchisch
Rot: Menschen müssen zum Arbeiten gezwungen werden
Blau: Eher autoritär – kontrollierend
Orange: Management by Objectives
Grün: Führungskraft als Coach/Mentor/Vermittler statt Boss
Gelb: Menschen werden im Sinne von Wachstum und Entwicklung verstanden
Die 9-Levels helfen aber nicht nur im Umgang mit Mitarbeitern. Auch durch Veränderungsprozesse lässt sich damit gut navigieren. Die Kommunikation so gestalten, dass sie auf offene Ohren stößt und gern gehört wird. Lernmethoden einsetzen, die von den Menschen gern akzeptiert werden. Die Organisation so aufsetzen, dass sie die Werte der darin arbeitenden Menschen nährt und die Motivation fördert.
Darüber hinaus ist das Modell nützlich im Recruiting, um Leute zu identifizieren, die optimal in die Team- bzw. Organisationskultur passen.